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Befehlshaber der Reichsjuden – Josel von Rosheim (ca. 1480-1554)

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Im Jahr 5296 (1535/36), führte die Landvogtei Hagenau und auch Ensisheim (16) wegen Klatschs und boshafter Männer Krieg gegen mich. Ich musste hinaufgehen und gegen die Landvogtei Hagenau in Heidelberg und auch viele Male in Ensisheim kämpfen. Mit der Hilfe des Einen, der mir beisteht, waren sie nicht in der Lage, mich zu besiegen, und Er rettete uns von ihren bösen Absichten und aus der Hand der Bösewichter. Möge Gott Seine Hilfe für mich vom Himmel fortsetzen und vermehren. Möge dies Sein Wille sein. Amen.

Im Jahr 5297 (1536/37) erklärte uns Herzog Hans von Sachsen (17) für vogelfrei und weigerte sich dem jüdischen Volk zu erlauben, auch nur einen Fußbreit auf sein Land zu setzen. Dies geschah aufgrund eines Priesters namens Martin Lo Tohar (18) —möge sein Leib und seine Seele in der Hölle aufgehen! Und in den vielen ketzerischen Büchern, die er verfasste und verbreitete, sagte er, dass für keinen eine Hoffnung bestünde, der den Juden hälfe. Seine zahlreichen Schriften brachten Herrscher und Völker so sehr gegen uns auf, dass es nahezu unmöglich für die Juden war, sich zu behaupten. Mit Zustimmung der Rabbiner besorgte ich ausgezeichnete Briefe von anderen Weisen der Völker und von jenem Ort Straßburg, und ich reiste hinauf, um eine Audienz beim Herzog in Meißen und Thüringen zu erbitten. Doch gelang es mir nicht, die Briefe zu präsentieren, bevor er nach Frankfurt kam, um dort andere Fürsten zu treffen, darunter den Herzog von Brandenburg (19), der ebenfalls alle Juden auszuweisen beabsichtigte. Allerdings geschah es, dass ich durch die Disputationen, die ich in Anwesenheit vieler nichtjüdischer Gelehrter bestritt (20), die Argumente Luthers und Bucers (21) und ihrer Anhänger mit Belegen aus unserer Heiligen Thora widerlegen konnte, und sie erkannten die Wahrheit meiner Worte an. Und ein Wunder im Wunder wurde für uns vollbracht, denn es wurde offen gelegt und vielen eröffnet, und auch eben jenem Markgraf Joachim, dass all jenen Märtyrern, die zu Zeiten seines Vaters im Jahr 5270 (1509/10) auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden waren—38 jüdische Seelen—, verbrannt worden waren wegen einer lügenhaften, bösartigen und falschen Anschuldigung. Denn bereits damals hatte der Räuber seine Falschaussage zurückgezogen, doch ein schlimmer Feind und Gegner, der Bischof, hatte dem Priester befohlen, dem Herzog die letzte Beichte des Räubers nicht zu verraten. Da sie all diese Dinge gehört hatten, bereuten die Herzöge (22) ihr bösartiges Tun und ließen sie [die Juden] in ihren Ländern Fuß fassen. Bis zu diesem Tage hat Herzog Joachim treu sein Wort gehalten, doch der Herzog von Sachsen hat sein Versprechen gebrochen und uns viel Schaden zugefügt, indem er uns für vogelfrei erklärte. Deswegen ist er zu Fall gebracht worden (23) und hat seine gerechte Strafe erhalten. Gepriesen sei Gott, der Sein Volk gerächt hat.

Im Jahr 5301 (1540/41), als ich zum Reichstag von Regensburg kam, um bessere Bedingungen für unser Volk in Form von weiteren Privilegien von unserem Herrn dem Kaiser zu erlangen, kam ein Strafgericht über die Juden von Neapel. Wenngleich der Mann aus Rom namens Salomon Romm dort in Regenburg war und alles Mögliche tat, um die Vertreibung zu verhindern, weigerte sich der Kaiser, auf seine Worte zu hören und erließ ein hartes Dekret, dass sie [die Juden] aus dem gesamten Königreich auswies. Er verbat Solomon unter Androhung der Todesstrafe, seine Bemühungen fortzusetzen. Der Mann musste untertauchen und gewann dort ein wenig Zeit mittels seiner Geheimkontakte mit geschätzten Statthaltern (24).

In eben jenem Jahr, 5301 (1540/41), verschwand im Weißenburger Wald (25) ein Kind und wurde erstochen entdeckt—ein verwester, in den Boden festgetretener Leichnam. Juden in jener Gegend, aus der heiligen Gemeinde Titting wurden fälschlich beschuldigt und verhaftet. Ich musste mich sehr energisch beim Herzog von Neuburg (26) und bei den Herren von Pappenheim (27) einsetzen, bis sie mit der Hilfe Gottes, gepriesen sei Er, freigelassen wurden. Das Reichsgericht (28) ließ in meinem Namen eine Vorladung an die Herren ergehen. Und unter Druck wichen die Schwäbischen und zogen sich aus dem Kampf zurück. Auf alle Fälle wurde den Herren von Pappenheim mit der Hilfe Gottes, gepriesen sei Er, das Fürchten vor ihnen gelehrt, und sie entließen die Juden aus ihrer erzwungenen Haft und sprachen sie von der falschen Anschuldigung frei. Gepriesen sei Gott, der uns in Seiner liebenden Güte nicht im Stich gelassen hat.



(16) Ensisheim im Oberelsass war der Regierungssitz für die österreichischen Lande am Oberrhein.
(17) Nicht Kurfürst Johann (geb. 1468, r. 1525-32), sondern sein Sohn und Nachfolger Johann Friedrich I. (1503-54).
(18) Martin Luther.
(19) Kurfürst Joachim II. (1505-71), Markgraf von Brandenburg.
(20) Protestantische Theologen. Dabei handelte es sich nicht um einen Reichstag, sondern um das als Schmalkaldischer Bund bekannte protestantische Bündnis.
(21) Martin Bucer (1491-1551), der bedeutendste protestantische Geistliche Straßburgs.
(22) Die Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen.
(23) Bezieht sich auf die Niederlage, Gefangennahme und Enteignung von Johann Friedrich durch Karl V. 1547.
(24) Bezieht sich wahrscheinlich auf kaiserliche Räte.
(25) Gemeint ist nicht Weißenburg/Wissembourg im Niederelsass, sondern Weißenburg im Nordgau, heute in Westbayern.
(26) „Herzog von Neuburg“ bezieht sich auf den Herrscher von Pfalz-Neuburg, einer 1505 geschaffenen pfälzischen Apanage der Wittelsbacher.
(27) Die Ländereien der Grafen von Pappenheim lagen im heutigen Bayern, etwa 30 Kilometer entfernt von Neuburg an der Donau.
(28) Das Reichskammergericht.

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