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Befehlshaber der Reichsjuden – Josel von Rosheim (ca. 1480-1554)

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Im Jahr 5385 (1524/25) gab es einen Tumult unter den Dorfbewohnern, die sich in allen Teilen Deutschlands versammelten, besonders in dieser Region—dem Elsass (6). Sie wollten sich selbst zu Herren aufschwingen, und sie hatten die Absicht, uns bei lebendigem Leibe zu verschlingen. Die Geißel hatte in bestimmten Orten bereits begonnen. Durch Gottes Gnade traf ich bei der Abtei Altdorf auf sie und sprach mit dem Buch zu ihrem Herzen (7) hinsichtlich des Rates, den sie den Anführern ihrer Streitkräfte geben sollten. Sie verkündeten lautstark, dass den Juden kein Leid geschehen sollte und stellten auch viele Geleitbriefe für jede Stadt und Region aus. Obwohl sie letztlich ihr Wort und ihre schriftlichen Versprechen nicht hielten und brachen, brachte ihr öffentliches Unternehmen jedenfalls den Juden Linderung und Erlösung. Dann kamen Tag und Stunde ihrer Niederlage. Der Herzog von Lothringen (8) kam über sie und richtete ein großes Gemetzel unter ihnen an. Auch in anderen Territorien wurden Tausende und Zehntausende gemordet und ertränkt. Gepriesen sei Gott, der uns aus ihrer Gewalt und ihren üblen Plänen erlöst hat. Möge Er uns weiterhin erretten. Amen.

Im Jahr 5288 (1527/28) leitete die Landvogtei Hagenau Anschuldigungen [gegen die Juden] an König Ferdinand, möge er gepriesen sein, weiter und sicherten sich seine Zustimmung, uns, die wir Bewohner der Deutschen Reiches sind, aus unseren Behausungen in allen Dörfern und selbst aus einigen Städten auszuweisen. Der Unterlandvogt wurde gegen seinen Willen gezwungen, vom König einen als Ordnung bezeichneten Erlass zu erhalten. Daraufhin baten mich alle jüdischen Einwohner in der Region inständig, vor ihnen her in den Kampf zu ziehen und vor ihnen her wieder in das Lager einzuziehen wie in der Vergangenheit, und ich willigte in ihr Ansinnen ein. Und aufgrund eines Unfalls, der meinem Pferd unterwegs zustieß, beschloss ich, nicht zu reiten auf der übrigen Strecke zum Königshof, der dort lag, wo gerade Hof gehalten wurde, sondern zu Fuß zu gehen. Mein Beweggrund dafür war meine Hoffnung, dass meine Fürsprache mithilfe vieler Mühen, Gebete und demütiger Bitten gelingen würde. Ich musste dem Königshof zur heiligen Gemeinde Prag folgen und dort gelangte ich in das Audienzzimmer des Königs und fand Gnade vor seinen Augen. Er hob den ersten Erlass auf und gab mir einen Freibrief, der bestätigte, dass die Juden wie in der Vergangenheit gemäß dem Text unserer Privilegien zu tolerieren seien. Wenngleich ich dazu ermächtigt war, bis zu 300 Gulden für all dies aufzuwenden, gab ich letzten Endes insgesamt nur 40 Gulden aus, um meine Hin- und Rückreise sowie zusätzliche Ausgaben zu bestreiten. Und die Widersacher beschlossen, neue Schwierigkeiten zu entfachen, um das Erreichte rückgängig zu machen, doch Gott sandte Engel der Zerstörung und tötete sie; drei der Rädelsführer starben an einer plötzlichen Seuche, und einen vierten ergriffen seine Feinde im Herrschaftsgebiet Hochfelden und richteten ihn hin. Und das Land war ruhig bis zum heutigen Tage. Gepriesen sei Gott, der für uns Rache an unseren Feinden übte und uns aus deren Händen rettete und vor den bösen Plänen, die sie gegen uns auszuführen gedachten.

Im Jahr 5289 (1528/29) wurden die heiligen Märtyrer von Pösing, 36 Seelen—Männer, Frauen, Jünglinge und Mädchen—verhaftet aufgrund einer falschen Beschuldigung durch einen Mamser [Nachkomme einer verbotenen Beziehung] und sie starben zur Heiligung von Gottes Namen. Sie wurden allesamt am 13. Siwan 5289 [21. Mai 1529] auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Bei dieser Gelegenheit wurden all jene Juden in Mähren verhaftet. Gemäß der Bitte unserer Rabbiner und der Not der Stunde, musste ich alle alten kaiserlichen und päpstlichen Privilegien nach Günzburg bringen. Dort fertigte ich Abschriften an, die ich zusammen mit Worten der Entschuldigung in einem Büchlein an den König und seine Staatsdiener schickte, und so erfuhren sie, dass wir unschuldig waren. Sie sagten zu den Gefangenen, „Gehet hin“, und mit der Hilfe Gottes, gepriesen sei Er, wurden jene, die die Folterkammer überlebt hatten, für frei und entlassen erklärt. Möge Gott, gepriesen sei Er, uns günstig sein durch die Verdienste jener erhabenen Märtyrer, die ihr Leben für die Heiligung Seines Namens geopfert haben.



(6) Dies bezieht sich auf den deutschen Bauernkrieg von 1525.
(7) Der Verfasser meint möglicherweise, er habe die Bauern mit Worten aus dem Alten Testament davon überzeugt, dass ihre Meinung über die Juden falsch sei.
(8) Herzog Antoine (1489-1544) von Lothringen, dessen Einmarsch im Unterelsass 1525 den Bauernkrieg in diesem Territorium niederschlug.

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