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Die Notlage des alten Glaubens – Peter Canisius an Giovanni Kardinal Morone (1576)

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Manche sind sogar der Meinung, der Apostolische Stuhl hätte jetzt entschieden mehr Grund, die Privilegien, die dem deutschen Adel für die Besetzung der Stellen an den Kathedralkirchen gewährt wurden, zu widerrufen, als er früher zur Gewährung dieser Privilegien hatte. Denn diese machen den ganzen Klerus im Volke verhaßt. Die Domherren maßen sich aufgrund dieser Privilegien unerträgliche Rechte an, vagabundieren wie Kriegsleute ohne jede Zucht und Ordnung und erregen so überall Ärgernis über Ärgernis.

Wenn aber die mißliche Zeitlage es augenblicklich nicht gestattet, daß die Adeligen aus den Domkapiteln entfernt oder doch von Grund her reformiert werden, so verlangt doch die besondere Notlage jetzt nach Maßnahmen, damit in Zukunft keine häretischen Adeligen mehr in die Domkapitel der Kathedralkirchen zugelassen werden und daß die, die bereits in den Domkapiteln sitzen, bei den Bischofswahlen kein aktives oder passives Wahlrecht haben. Um das zu erreichen, sollte man nach meiner Meinung die Vorschläge der kaiserlichen Majestät und der Erzbischöfe anhören. Die Wahl guter Bischöfe wird auch dadurch sehr erleichtert, daß sie ungehindert und nach dem Kanonischen Recht vonstatten geht und nicht mit Abmachungen und Klauseln belastet wird, wie sie jetzt gang und gäbe sind und sich so ungünstig auswirken. Dadurch werden ja die Bischöfe wie mit Ketten gefesselt und sind in ihrem Amt bei Visitationen und bei der Reform des Klerus allzusehr gebunden.

Außerdem wäre es notwendig, diesen adligen Domherren klarzumachen, welche Eigenschaften die zu wählenden Bischöfe haben müssen, und daß in Zukunft eine Wahl von Rom nur dann bestätigt wird, wenn sie vorschriftsmäßig stattfindet. Die Unwissenheit der Neugeweihten ist nämlich besonders kraß in den Fragen des Kanonischen Rechtes und der Kirchendisziplin.

Wie gesagt, werden die Bischöfe gewöhnlich aus der verkommenen Adelsschicht gewählt; vor der Bestätigung der Wahl durch den Apostolischen Stuhl sollte also nicht bloß das Votum der Domherren, sondern auch das Urteil anderer Priester berücksichtigt werden. Und bei der Bestätigung sollten die Neugeweihten auf folgende Punkte hingewiesen und geradezu darauf verpflichtet werden:

Sie dürfen niemanden weihen und niemandem eine Pfründe übertragen, der nicht zuvor das Glaubensbekenntnis abgelegt hat.

Ebenso müssen sie das Glaubensbekenntnis von ihren Räten und Beamten verlangen. Und jeder muß in seiner Umgebung einen in der Theologie und im Kirchenrecht bewanderten Geistlichen haben, dessen Rat er in schwierigen Fällen und bei Entscheidungen in Anspruch nehmen kann.

Sie dürfen keinen verheirateten oder häretischen Priester in ihrem Klerus dulden; eine besondere Sorgfalt müssen sie bei der Zulassung von Beichtvätern anwenden, die nur dann die Absolution geben dürfen, wenn der Pönitent seine Sünden einzeln gebeichtet hat.

Die Spendung der Firmung und der Krankenölung soll in den Sprengeln wieder aufgenommen werden, in denen sie außer Übung gekommen sind. Nirgendwo darf die Kommunion unter beiden Gestalten eingeführt werden, und, wo sie bereits üblich ist, soll sie nach Möglichkeit wieder abgeschafft werden.

Wo kein eigenes Priesterseminar ist, soll ein neues errichtet werden, oder der Bischof soll wenigstens acht bis zehn Alumnen an einer katholischen Universität studieren lassen.

Häretiker dürfen nicht auf dem Kirchhof beigesetzt werden.

Unser Heiliger Vater muß meines Erachtens die neugeweihten Bischöfe auf diese und noch viele andere Punkte vor allem deshalb hinweisen, weil man in Deutschland darauf nur mehr wenig Wert legt und alles hingehen läßt. Die Kirchenzucht liegt hier ganz im argen, und eine kanonische Visitation der Pfarreien wird kaum mehr durchgeführt.

Die Kirche kann vonseiten der Universitäten große Hilfe erfahren, wofern diese reformiert werden. Deshalb soll der Heilige Vater die maßgebenden Männer auffordern, damit besonders die theologischen Fakultäten und Priesterseminarien Berücksichtigung finden. Damit würde sich auch der Mangel an Seelsorgsgeistlichen und Ordensleuten, der in Deutschland besonders groß ist, leicht beheben lassen, wenn wenigstens einige freigewordene Pfründen und andere Einkünfte zu diesem guten Zweck verwendet würden. Es ist ja wirklich traurig, daß die Katholiken in Deutschland nur mehr so wenige und noch dazu ganz armselige Universitäten haben.

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