GHDI logo

Aufsicht über die protestantischen Kirchen – Visitations- und Schulordnung aus der Kurpfalz (1556)

Seite 6 von 7    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


So auch die kinder regulas constructionum gelernt haben, soll er die construction und die reglen darvon fordern. Die ander stund vormittag sollen die vier tage in der wochen, Montag, Dinstag, Donnerstag, Freytag, allezeit also gebraucht werden, das dann die knaben erstlich ein stuck in etymologia außwendig recitiern. Darnach soll der preceptor dieselbige reglen mit exempeln erkleren.

Und so sie die etymologiam gelernet haben, sollen sie hernach syntaxin dise stund auch also außwendig recitiern. Und soll der preceptor hernach dieselbige regeln mit exemplis erkleren und die knaben teutsch fragen, das sie exempla latina auf die regel in syntaxi machen, als: Wie soll man in latein sprechen, straf volget gewißlich nach verachtung göttlicher gebot? S[chuler]: Poena comitatur certo contemptum divinarum legum.

Und sollen in allweg die schulmeister disen fleiß thun, das sie die jugent treiben, regulas grammatice außwendig zu lernen. Und soll dise thorheit nit geduldet werden, das etliche die reglen verachten, wöllen die sprach one reglen lernen.

Auch ist nutzlich, das im gantzen land ein gleiche etymologia und syntaxis und nicht mancherley gebraucht werden.

Den Mitwoch und Sonnabend soll man zum catechismo brauchen durchaus in allen haufen. [ . . . ] Und soll ernstlich befolhen werden, das ein gleicher catechismus durchaus im land gebraucht werde.

Und dieselbigen tage soll man den knaben ein lection aus göttlicher schrift exponiern [ . . . ]. Und sollen die schulmeister die grammatica fleissig in derselben exposition anzeigen und die einig, eigentlich meinung den jungen deutlich sagen und nicht frembde disputationes einfüren. Die jungen sollen auch diser Psalmen etliche auswendig lernen, ir gebet darin zu üben.

Etliche schulmeister wöllen eitel heilige schrift lesen, etliche gantz keine. Dise meinung beide sind streflich. Sonder dise ordnung, wie gesagt ist, so man treulich leeren wil, ist der jugent nutzlich.

Das dritt heuflin soll man in den grössern schulen also machen, das man die knaben darzu wehlet, die nun zimlich grammatici sind. In der stund nach mittag sollen dise mit den andern in musica geübt werden, wie zuvor gesagt. Hernach soll man inen die zween tag, Montag und Dinstag, Vergilium exponiern, die ander zween tag, Donnerstag und Freytag, etliche außerleßne epistolas Ciceronis oder de amicitia, de senectute oder Salustium.

Am abendt regulas Prosodie (10) und etliche liebliche poemata Ovidii de Ponto oder heroidas Eobani (11) oder etliche elegias Sabini (12) oder Stigelii (13).

Morgen früe sollen dieselbigen jungen, wie es die zeit bringt, Virgilium oder epistolas Ciceronis exponiern. Und soll der preceptor durchaus lassen construiern und auf jede construction die regel aus dem syntaxi fordern. Und soll sich diser langkweiligen arbeit nit verdriessen lassen. Soll auch etliche schwere declinationes und conjugationes halten.

Darnach soll man mit disem dritten haufen auch repetiern etymologiam und syntaxin. Und soll jeder insonderheit die reglen außwendig sagen. Dise repetitio der etymologie und syntaxis ist nötig. [ . . . ]



(10) Ausspracheregeln.
(11) Heroidum christianarum Epistolae (Leipzig 1514), 22 Briefe heiliger Frauen an ihre Geliebten in Jesu; Hauptwerk des Eobanus Hessus (1488–1514).
(12) Elegiae (ab 1530) des Georg Schuler (Sabinus; 1508–60).
(13) Die Elegien des Johannes Stigel (1515–62) sind auch in den postum erschienenen Poemata (1566–69) enthalten.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite