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Aufsicht über die protestantischen Kirchen – Visitations- und Schulordnung aus der Kurpfalz (1556)

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Und haben den armen Leuten zu irem Verderben bisher nit wenig Ursach geben derselbigen Gegen Pfarherrn, die vast alle ungelerte Papisten seind und darzue mit offenlicher Hurerej unnd annder dergleichen Schand und Lasster befleckt gewesen. Under anderm war unns ain Swenckfeldischer Lerer angezaigt, der zu Edigkoven Schulmaister ist, mit Namen Bernhart Herxhaimer; hat ein Puechlin lassen inn Druckh außgeen, haist das Vaßnacht Buechlin (5), darjnn er reimenweis die gantz Swenckfeldische Leer begriffen. Und dieweil es der Reimen halber lieblich zu lesen, thuet er damit weit und prait grossen schaden. Solchen haben wir zu unns erfordern lassen und mit jme jnn Beysein aller Pfarrer der Kirchen [ . . . ] offenlich auf dem Rathaus uber seiner Leer aus seinem Puechlin, so wir jme fürlegten, disputirt, auch mit der Gnad Gottes seines Jrrthumbs uberwisen: wie er selber offenlich bekennen muest, wo er vor diser Zeit von unnser Religion dermassen hette hören reden, er wollte solch Puechlin nit geschriben haben.

Dergleichen war unns auch ain Widertauffer fürgebracht [ . . . ]. Mit dem wardt gleichfalls sovil geredt und gehandelt, das er gleich auf der stel offenlich vor vilen, dem Vitzdomb (6) anstat E. Churf. Gn[aden] huldiget unnd also wider anhaimisch zu Weib und Kindern ledig gelassen wardt.

[In Lautern geht es vor allem um die schlechte Ausstattung mit Personal; zu Dirmstein notiert der Verfasser des Berichts den Hinweis auf den fähigen Pfarrer Bartholomäus Dietmar, der eine andere Stelle anzunehmen gedenke, doch auf jeden Fall in der Pfalz gehalten und als Superintendent eingesetzt werden solle. Die Kommission versucht vergeblich, zwei Täufer von ihrem Glauben abzubringen.]

Zu Altzej, das ein groß Ambt ist, haben wir acht Tag lang zu schaffen gehabt, ein vol nest ungelerter doller papistischer Pfaffen, dern etlich vil wir alsbald geurlaubt und bis yetzt künftig Martinj abzuziehen bevolhen haben. Die übrigen, dieweil sy sich erboten, E. Churf. G[naden] gestellte Kirchenordnung anzunemen und dern gleichformig in der Kirchen zu handlen, seind sy also auf zusehen unn künfftige Verbesserung bey iren Kirchen gelassen worden.

[In Kreuznach werden zwei des Lesens und Schreibens kundige Täufer bekehrt; unter den 24 Pfarrern werden größtenteils »ungeschickte grobe Esl« vorgefunden, zu Kirchberg wiederum »ungeschickte ungelerte Papisten«:]

Aus der Schulthaissen und der Kirchen zuraten ansagen war sovil wol abzenemen, das das Volckh des Orts schir gar erwildert, wenig nach der Religion frage und kainen Underschid zwischen der papistischen und evangelischen Leer waiß zu machen.

[In Stromberg werden sechs Täufer bekehrt; sie hätten gesagt, daß die »Ungeschiglichait, seel und gotlos leben« ihrer Pfarrer der Hauptgrund seien, daß sie abtrünnig geworden seien. Allerdings verweigern sie die Huldigung und müssen deshalb wieder ins Gefängnis.

In Bacharach und Kaub stellen sich die Verhältnisse günstiger dar, abgesehen davon, daß man zu wenig zur Kirche geht und auch noch zu St. Werners Grab pilgert. Nach Hinweisen auf die Verhältnisse in einigen weiteren Orten kommt der Bericht auf allgemeine Mängel und Fehler zu sprechen.]



(5) »Faßnacht küchlin oder warnungBüchlin. Das Faßnacht küchlin ist mein nam / All falsch Propheten sein mir gram / Darumb das ich auff Christum weiß / Mit heilger Schrifft die warheit preiß / Vnd nit verheel / waran es feel. / Ein ware summ / vom Christenthumm / Gemacht zun ehrn / Christo dem Herrn / Trewlich durch Bernhart Herxheimern«. [o. O. 1554.]
(6) Mit dem Titel »Vitztum« (auch »Viztum, Vizedom«) wurden seit dem Mittelalter Regierungsbeamte der Mittelbehörden in den deutschen Territorien bezeichnet; oft sind die obersten Finanzbeamten gemeint.

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