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Verteidigung des Frauenklosters – Caritas Pirckheimer in Nürnberg (1524)

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Kapitel 34

Bericht über die gewaltsame Herausholung der Schwestern Margaret Tetzel, Katharina Ebner und Klara Nützel durch ihre Mütter aus dem Kloster an Fronleichnam des Jahres 1525

Am mitwoch sant Veytsobent, was auch unßers lieben herrn fronleichnamsobent, welchen allerheilligsten tag man weder feyret noch beging noch dy allermynste referencz (1) dem h[och] w[irdigen] sacrament bewyeß, do schickten dy poßen weyber ein stund vor essens zu mir, sy wollten unter essens kumen und dy kinder holn, wollten auch ander leut mit in pringen, daz ich seh, daz sy gewalts genung hetten. Do schickt ich pald auf das rothawß und begeret, daz man mir 2 zeugen schicket, dy pey dißem hendel wern, so sy leut mit in (2) wollten pringen, das auch etlich auf unßer seytten do wern, auf das mich dy weyber nit aber (3) unpillig verclagten als vor. Aber dy armen kinder westen noch nit eygentlich, wenn es geschehen wurd, hetten vill anschleg (4), hofften noch imer, wen es schun an das treffen gyng, sy wollten sich noch erretten, man wurd in (5) wider irn willen keinen solchen gewallt anlegen. Aber do ich sye berufft und in saget, ir mutter wurd sye in der selben stund holn, do fyeln sye all 3 auf das ertrich (6) und schryen, weynten und heulten und hetten solch cleglich geperd, es mocht got im himel erparmt haben. Sye wern gern geflohen und hetten sich verporgen, des wollt ich in (7) nit gestatten, dann wir besorgten, man wurd mit gewallt hereinlauffen und sye an allen ortten suchen und das ungeluck noch großer wern. Desgeleichen weynet und claget der gancz convent, dann es sind frume und geschickte kind gewest, dy sych woll pey uns gehallten haben und sich von herczen und sel ungern von uns schyden.

Dye swester Margret Teczlin was XXIII jar alt und IX jar im h[eiligen] orden gewest; Katerina Ebnerin und C[lara N[üczlin] kamen bed (8) an einem tag in den h[eiligen] orden, theten auch an einem tag profeß auf inventionis sanctae crucis (9), was VI jar gewest, das sy in das closter kumen warn: Katerina Ebnerin was XX jar alt, C[lara N[uczlin] XIX, da man sy hinaußnam. Do theten wyr in (10) mit vil zehern dy weyel (11) und sayl (12) ab und dy weißen rock, legten in (13) hemdlein an und weltlich gurtel und auflegerleyn auf das haubt. Furt ich sy mit etlichen rotswestern in dy cappeln, do warteten wir woll ein gancze stund, piß dy grimigen wolfin gefarn komen auf 2 kamerwegen; dyweyl was daz geschrey unter daz gemeyn volck kumen; dy samelten sych in großer menig (14) als wen man einen armen menschen will außfurn (15); stund dy gancz gaßen und kirckhof voll, also das dy weyber mit irn wegen kaum auf den kirchhof kundten kumen; do schembten sy sich, daz so vil volcks do was, hetten gern gesehen, das wirs zum hyntern thor im gartten hynauß hetten thun, schickten desselben halben dy 2 herrn Sebolt Pfinczing und Endres Imhof zu mir, dy von einem rot darzu verordent warn, als ich begert het zu gezeugtnus. Do wollt ichs nit thun, ich wollt nit heymlich mit der sach umbgen; sprach, thetten sye recht, so torfften sy sich nit schemen, ich wollt sye an keinem andern ort hynaußgeben denn do ich sye herein het genumen, daz was durch dy cappeln thur.

Also umb dy 11. or (16) komen dy grimigen wollf und wollfin unter meine herczliebe scheflein, gingen in dy kirchen, tryben das volck alles hynauß und spert die kirchen zu, must ich laider des closters thur in der capeln aufsperen, wolten sie ye, ich sollt mit den kinden hynnauß in die kirchen gen. Das wolt ich nit thun, da wolten sie ye, ich solt die kinder mit gewalt allein hynnauß hayßen gen; daz wolt ich auch nit thun; seczt ins haym (17), da wolt ir keins in kein weg uber das tryscheufel (18) hynnauß, paten, die herrn solten fluxs (19) endt geben, dann das volck luff noch imer zu; besorgten sich eins auflaufs. Sprach ich zu den herrn: So get ir herein und redt mit in (20), das sies gern thun, ich kann und will sie nit notten zu dem, das in (21) von sel und hercz wider ist. Also gingen die 2 herrn herein; sprach ich, da stell ich euch meine arme waißlein, wie ir mir gester von rats wegen gepoten habt und befelh sie dem öbersten hirten, der sie mit seinem tewrn plut erlöst hat. Gesegenten an einander (22) mit unzelligen hayßen zechern, fielen die kinder alle 3 umb mich, heulten und schryen und begerten, ich solt sie nit loßen, aber ich kunt in (23) laider nit helfen; ging ich mit den s[western] davon und ließ die armen kindt allein in der capeln und speret die thur der capeln auf den kirchof zu, das nymant in das closter kunt.

Da lieffen die poßen weyber herein als die grymigen wulfin, die Fricz Teczlin mit einer tochter, Jeronimus Ebnerin, Sigmundt Furerin, unßer pflegerin Caspar Nuczlin mit irm pruder Linhart Held, der an des pflegers stat da was und auch des Sebolt Pfinczing sünlein usw. Da hießen die weyber die kinder hynnaußgen mit guten worten, wolten sie es aber nit gütlich thun, so wolten sies mit gewalt hynnauß zerren. Da werten sich die starcken rytterin Cristi mit worten und wercken als vil sie mochten mit großem weynen, schreyen, piten und flehen, aber mynder (24) parmherczigkeit was da denn in der hel (25).

Sprachen dy müter zu den kinden, sie wern in (26) schuldig gehorsam zu sein nach dem gots gepot; sie wolten gehabt haben, das sie hynnaußgingen, dann sie weren darumb da, das sie ir sel auß der hell wolten erloßen, sie seßen dem teuffel in dem rachen, das kunten sy nymer an ir gewyßen erleiden. Schryen die kinder, sie wolten sich von dem frumen heiligen convent nit schayden, sie weren gar nit in der hel, aber wenn sies hynnaußprechten, wurden sies in abgrunt der hel furen, sie wollten ir sel an dem jüngsten tag vor dem strengen richter von in (27) fodern, wiewol sie ir müter werden [!], so weren sie in doch nit schuldig gehorsam zu sein in den dingen, die wider ir sel wern.

Sprach Katerina Ebnerin zu ir mutter: Du pist ein mutter meins flaysch, aber nit meins geist, dann du hast mir mein sel nit geben, darumb pin ich dir nit schuldig gehorsam zu sein in den dingen, die wider mein sel sind. Auß dem und andern machten sie ein groß gespött, sagten, sie wolten die sach vor got wol verantwurten und die sund all auf sich nehmen. Der Heldt hielt die handt auf, das im Clara Nuczlin darein solt schlagen, das er all ir sundt, die sie in der welt wurd thun, auf sein sel wolt nehmen und die am jungsten tag wolt verantwurten.

Kriget (28) ein ytliche muter mit ir dochter, verhyeßen in (29) ein weyl vil und trötten (30) in (31) ein wyel vil. Aber die kindt weynten und schryen unaufhörlich, weret der streyt und zangk ein lange zeit, redet die Katerina Ebnerin so dapfferlich und bestendiglich und beweret alle ire wort mit der heiligen geschrif[!] und fing sie in all iren worten und sagt in (32), wie sie so großlich wider das heilig ewangelium handelten. Es heten darnach die herren draußen gesagt, sie heten all ihr lebtag den menschen geleichen nye gehort, sie het schier die gancze stundt an (33) unterloß geredt, aber kein vergebens wort, sunder so wol bedechtlich, das ein ylichs [!] wort 1 pfund het gewogen [?].

Da nun kein teyl dem andern wolt weichen, die kinder wolten nit gen, so wolten die weltlichen das wort nit haben, das sies mit gewalt angryfen; da tröet in der Heldt und auch die weyber, wenn sie schon yczo nit mit in (34) wolten gen und sie ab musten loßen, so solten sie doch wissen, das sie nit hynnen wolten loßen, kurczumb sie musten hynnaus, es stund kurcz oder lang an, das und kein anders, sie wolten in wol leut schicken, die in (35) starck genug wern, man must in (36) hendt und fuß zusamenpinten und sie hynnaustragen wie die hundt. Aber es half alles nit, die kindt wolten sich nit begeben.

Da schickten die herrn wider nach mir und clagten mir, wie sie so engstig wern, sie westen nit, wie sie all iren dingen thun solten, es wolt kein tayl dem andern weichen; so wer die Katherina E[bnerin] zumol truczig und hefftig, sie heten mit in (37) gefochten, das sie keinen trucken faden an in (38) heten; heten sie den streyt vor (39) gewist, sie wolten nit 30 f (40) genumen haben, das sie darzu kumen wern, es solt sie mit der hilf gotes ir lebtag nymant zu einem solchen schymf (41) mer pringen; sprachen, wenn sie schun yczo darvon ließen, so wurd worhaftig mir und dem convent ein groß ungluck darauß entsten, man wurd uns mit gewalt nit uberfallen und must doch am leczten geschechen; ich solt mit in (42) reden, das sie gingen. Des weret ich mich starck, paten sie mich, ich solt sie doch der gelübt ledig sagen, ob sie villeicht mit der gehorsam verstrickt wern, das sie nit gen dörfften. Sprach ich: Ir habt vor mer (43) von mir gehört, das ich nit gewalt hab aufzuloßen, was got gelobt ist. Begerten sie, ich solt doch wider in die capeln zu in (44) gen, das die frawen sechen (45), das der mangel nit an mir wer, sie wolten mir schucz und schyrm halten, das si mir kein hochmut bewißen. Also ging ich wider in die capeln hynnein mit etlichen s[western]. Da stunden meine arme waißlein unter den grymigen wolfen und strytten von all iren kreften; grust ich die frawen, saget, het in (46) nach gepot des rots ire kindt frey daher gestelt, so sechen (47) sie wol, wie gern sie hynauskomen; begerten sie, ich solt sie der gehorsam ledig zelen. Sprach ich unter andern worten: Lieben kinder, ir wist, was ir got gelobt habt, das ichs nit kann aufloßen, will mich in dazselb gancz nit schlagen, sunder dem almechtigen got befelhen, der wirts zu seiner zeit wol außrichten, aber was ir mir pisher schuldig seyt gewest, will ich euch ledig sagen als vil ich soll und mag, als ich dann heut auch hab gethun, da ich allein pey euch bin gewest. Daran heten die weltlichen ein guts benungen (48), sagten, ich het das mein gethun, begerten nit mer, was got gelobt wer, gelt on daz nit, gelübt wern schun hynn, sie heten nit gewalt gehabt etwaz zu geloben denn in der tauff.

Schryen die 3 kindt als auß einem mundt; wir wolten nit ledig gezelt sein, sunder was wir got gelobt haben, wollen wir mit seiner hilf halten, wenn uns schun die w[irdig] muter aufpütt (49) und aller convent da wer, wolten wir dennoch nit auß, dann wir sind nit schuldig gehorsam zu sein wider unßer profesion (50). Schrye Margaretha Teczlin: O liebe muter, treibt uns nit von euch! Sprach ich: Liebe kindt! Ir secht, das ich leider euch nit helfen kann, dann der gewalt ist zu groß; solt dann dem convent weytter unglück entspringen, secht irs auch nit gern; ich hof wir wöllen darumb nit geschyden sein, sunder wider zusamen kumen und ewiglich pey unßerm treuen hirten beleiben, dem befilh ich euch, der euch mit seinem teuren plut erlost hat.

Sprach Katherina Ebnerin: Da stee ich und will nit weichen, kein mensch soll mich vermugen hynnaußzugen, zeucht man mich aber mit gewalt hynnauß, solß doch mein will nymer ewiglich sein, wils got im himel und aller welt auf erden clagen. Als pald sie das gesprach, nom sie der Held unter die armen, fing sie an zu ziechen und zerren. Da lief ich davon mit den s[western], möcht des jamers nit sechen, etlich s[western] belieben vor der capelnthür; die horten das groß zancken, zerren und schleppen mit großem schreyen und weynen der kinder. Heten je 4 menschen an ir eyner gezogen, 2 foren (51) gezogen, 2 hynnten geschoben, also das das Ebnerlein und Teczelein auf dem tryscheuffel (52) aufeinander zu hauffen wern gefallen, het man dem armen Teczelein schier (53) einen fuß abgetretten, stunden die pößen weyber da und gesegnenten ir döchter hynnauß in aller rytten (54) nomen.

Dröet die Ebnerin ir dochter, wolt sie nit furpaß gen, so wolt sies die stiegen auf dem predigstul hynnabstoßen; da sies kaum hinnabpracht, tröt sie ir, sie wolts wider die erden werffen, das sie wider aufprallen müst. Da sies nun mit vil schelten und fluchen in die kirchen prachten, da hub sich erst ein ungeleublich schreyen, clagen und weynen, ee sie in (55) den heiligen orden (56) abryßen und in weltliche klaider anlegten, sie fürten aber die kutten mit in (57) haym. Das geschrey und gefecht hörenten die s[western] alles inn dem kor und auch die weltlichen leut, die vor der kirchen stunden, die sich gesamelten heten in einer solchen menig (58) als wenn man einen armen menschen zu dem tödt fürt.

Da man sie nun auf die wogen (59) wolt seczen vor der kirchen, wurd aber (60) großer jamer, ruften die armen kindt mit lauter stym zu den leuten und clagten in (61), sie lieden gewalt und unrecht, das man sie mit gewalt auß dem closter gezogen het. Die Clara Nuczlin het laut gesprochen: O, du schune muter gotes, du waist, das es mein will nit ist. Da man sie nun hynnfüret, waren ytlichen kamerwagen vil hundert puben und ander leut nachgeloffen, heten unsere kinder imer laut geschryen und geweynnt, het die Ebnerin ir Ketherlein (62) in den mundt geschlagen, das es angefangen het zu pluten den ganczen weg auß und auß. Da nun ytlicher wagen fur ir vaterhauß wer kumen, heten sie ein neus schreyen und lauts weynen angehebt, das die leut groß mitleiden mit in heten gehabt; auch landsknecht, die mit in geloffen warn, heten gesagt, wann sie nit eins auflaufs besorgten und die statknecht, die auch da waren, so wolten sie mit dem schwert dareingeschlagen haben und den armen kinden geholfen. Vor des Ebners thür am obsmark was das Keterlein (63) abgestigen, het die hendt ob dem kopff zusamengeschlagen und aber mit großem weynen den leuten geclagt, wie im gewalt und unrecht geschech wider seinen willen, das die öbserin (64) schier all mit im geweynt heten.

Wie es den armen kinden unter den grymigen wolffen darnach weytter ist gangen, kunen wir nit wisen, denn das man uns am fierten tag darnoch saget: die Clara Nüczlin het noch keinen pyßen in der welt geeßen, so [?] weyneten die andern on alles aufhörn, sie haben ye allen irn fleyß gethun, des gib ich in gezeugnus vor got und den menschen; so haben sie dem convent nye nichs poß nochgeredt, sunder alwegen, wo man sie angeloßen het, das pest von uns gesagt und groß senen und belangen wider in ir closter gehabt. Got helf uns mit freuden wider zusamen! Wir haben uns ye mit großem herczelaidt geschyden. Wir heten worlich einen betrübten unser berrn fronleichnamsabent; der convent ging erst nachmittag gen disch.



1) Reverenz, Verehrung
2) sich
3) abermals
4) Vorsätze, Pläne
5) ihnen
6) Erdboden
7) wie 5
8) beide
9) Kreuzauffindung (3. Mai)
10) wie 5
11) lateinisch: velum, Schleier
12) Gürtel, Zingulum
13) wie 5
14) Menge
15) zur Hinrichtung führen
16) hora, Stunde
17) stellte es ihnen anheim
18) Trittschäufelein, Türschwelle
19) flugs, sofort
20) wie 5
21) wie 5
22) verabschiedeten sich voneinander
23) wie 5
24) weniger
25) Hölle
26) wie 5
27) wie 5
28) stritt
(29) wie 5
(30) drohten
(31) wie 5
(32) wie 5
(33) ohne
(34) wie 5
(35) wie 5
(36) wie 5
(37) wie 5
(38) wie 2
(39) vorher
(40) Gulden
(41) Schimpf
(42) wie 5
(43) vorher mehrmals
(44) wie 5
(45) sähen
(46) wie 5
(47) wie 45
(48) Genügen
(49) ausbietet, freigibt
(50) Profeß, Gelübde
(51) vorne
(52) wie 18
(53) fast
(54) Teufel
(55) wie 5
(56) Ordenskleid
(57) wie 2
(58) wie 14
(59) Wagen
(60) wie 3
(61) wie 5
(62) Katharinchen, Käthchen
(63) wie 62
(64) Obsthändlerinnen



Quelle: Die Denkwürdigkeiten der Äbtissin Caritas Pirckheimer, herausgegeben von Frumentius Renner. St. Ottilien: EOS Verlag, 1982, S. 1-2, 8-13, 73-84.

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