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Verteidigung des Frauenklosters – Caritas Pirckheimer in Nürnberg (1524)

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2. Der Kampf um die Schwester Margarete Tetzel (Kap. 5—12)

Bittschrift an den Rat im Advent 1524 wegen Entzuges der Franziskaner als Beichtväter – Weder die Schwestern noch die Patres haben dazu irgendeinen Anlaß gegeben – Der Vorwurf, die Schwestern hätten den Franziskanern viel geschenkt, wird zurückgewiesen – Die Absicht, den Schwestern an Stelle ihrer bisherigen Beichtväter Anhänger der neuen Lehre zu geben, ist ein Eingriff in die Gewissensfreiheit der Schwestern – Sie rühmen sich ihrer guten Werke nicht, sie wollen nur ihrem Glauben treu bleiben

Diß ist die supplicacion, dy wir einem erbern rot zugeschickt haben in dem advent anno domini 1524.

Fursichtig erber weiß lieb herrn!

Durch unßer veter zu den parfussen werden wir bericht, wie E E W (1) an sie hab synnen laßen sich unßer closters zu eußern, auch unßer zu entschlahen als in langer handellung an nott (2) zu erzeln, die weil E W zu frischer gedechtnus ist, wie woll wir nun in keinen zweiffel seczen solche handellung sey durch E W auß keiner andern meinung furgenommen, dann das die pey derselben fur nucz und gut angesehen, so kan doch die unverhort unßer nicht genczlich oder genugsam verston (3), was uns an der gelegen ist, auch zu was beswerden und nachteyl uns die leiplich und geistlich reichen mag. Demnach pitten wyr arme ellende E W kinder umb gottes willen, die woll diß unßer schreiben an verdrieß vernemen und genediglich zu herczen fassen, uns auch als die, so nach got zu nymandt dann zu E W zuflucht haben, trewlich und veterlich bedencken.

Erbern weißen herrn, wir hoffen E W sey unvergeßen, welcher maß wir und unßer fordern uns albegen (4) und je piß auf diße zeit gegen derselben erzeigt haben und in allen dingen, so an uns gesunen synd worden, gefolgt und wilfart unangesehen, ob uns auch zu zeitten was swerlich gewest ist, denoch haben wir auch an (5) widerspenigkeit (6) verwilligt E W alles unßers einnemens und außgebens zu verrechnen, auch derhalb rechnung zu thun, wie wol solchs do vor (7) der prawch nit gewest ist. Domit E W wissen tragen mocht, wie unßer sach gelegen und gestalt wer, wie wir uns auch mit allem unßerm thun, lassen und hawßhaben (8) schickten und hylten und insunders auß dem verdacht komen, als solten wir unßern vetern zu den parfussen vil anhencken.

Wir haben uns auch nachvolgent auf E W gesynnen mit ubergab unßer zynß in dißer stat nach derselben willen und wolgefallen gehalten und alle unßer gehabte eygenschaft (9) E W und gemeiner stat zugestellt, des sich doch ander ordenslewt gewidert haben und gar nit haben thun wollen.

Das melden wyr allein darumb, das wir verhoffen, es sey je nichcz durch uns zu keinem mal gehandelt, darab E W mysfallen oder beswerung haben mugen. Synd auch noch gancz willig und geneygt E W in allen zymlichen und leidlichen dingen zu willfarn; der trostlichen zuversicht, wir sollen des pey E W nit entgelten, sunder nach pilligkeit genyßen; zu dem hoffen wir, wir haben uns auch gegen dem gemeinen man, auch in andern unßern thun und loßen dermaßen gehalten, das uns (an rom (10) zu reden) nymandt mit warheit einig unpilligkeit oder unerlich sach zumessen mag, als wir auch nit zweiffeln, uns von E W gar nit peygelegt werd. Noch dann, wo unßer veter, so uns und unßer forfordern nun pißher in drytthalb hundert jarn mit der geistligkeit (11) versehen haben, in dißer widerwerttigen und aufrwigen zeit von uns abgefodert und genomen solten werden, wurd an zweiffel der gemein man, so an das (12) zum ergsten geneygt ist, solchs nit zum pesten außlegen, sunder darfur halden, E W wer durch sunder [!] der veter ader (13) unßer verhandellung zu solcher ordenung verursacht worden, welches uns dann nit in einen cleinen leymundt geperen wurd, ja nit allein uns, auch E W, als unßern vetern, gesypten frewnten (14) und gunstigen herrn.

Dieweyl nun aller argwon, wo der umbgangen mag werden, vermytten sol beleiben, so zymt E W nit allein uns arme hyrinn, sunder auch sich selbs wol und weißlich zu bedencken, die weil unßer smach an (15) E W unerung nit ergen kan noch mag. Uns ist auch unverporgen, das wir pey vil lewtten verdacht syndt als solten wir gemelten (16) vetern vil geben und anhencken, von welchem verdacht uns aber unßer selbs nott und armut entschuldigt, dan was mochten wir vil von uns geben, so wir selbes kawm zu leben haben und durch die vergangen krieg und zufell, wie E W wissen tregt, also verarmuth syndt, auch noch teglich einpußen, das uns notter wer zu nemen denn vil außzugeben, wie denn E W durch unßer jerlich rechnung selbs weiß und verstet.

Es ist auch die warheit, das wir den zweyen vetern, so uns mit predigen, peichthörn und andern geistlichen sachen versehen, nit mer dann die schlecht (17) narung und cleidung geben, darumb uns warlich aber die weltlichen prister nit dynen noch sich benungen wurdten laßen. Solten wir in denn vil geben und derhalb selbs noch mer mangel leiden, wer uns unßers achtens nit allein beswerlich, sunder gancz unpillich. Hoffen aber E W werd uns inn verdacht (18) unßers vermugens kein weitter purd auflegen noch zu etwan bedrangen, das uns nit allein in unßern gewissen, sunder auch in zeittlichen gut beswerlich und unmüglich ist.

Wyr achten auch genczlich darfur, wo E W, des wir uns doch je nit versehen wollen, geleich in irem vorhaben verharrn und die sach mit der that angreiffen wolt, der wurd umb mangel willen geschickter person so vil beswerung begegen, das die selbs die unmüglikeit spürn und erfinden würd. Dieweil geschickt vorgeer und, wie sie nach meinung S[ant] Paulßen sein solten, leider tewr (19) syndt, solten wir dan mit ungeschickten oder denen, so wir nicht gern hetten und doch haben müsten, uberladen werden; hat E W wol abzunemen, was frucht ader (20) nucz das pringen würd, dann ye der geist frey und ungezwungen sein will und muß, auch nymandt gedrungen wirt in der weltligkeit einem herrn zu dynen, der im nicht gefellig ist, vil mynder ein herschaft genott dyner anzunemen, die in (21) nit füglich syndt; wie vil mer gezymt sich dan der geistligkeit (22) ungenött und frey zu loßen, soll sie anders in rechter und gutter würckung beleiben; das aber darpey etlichen der argkwon eingewurczelt hat als solten uns unßer veter verpietten das heillig ewangelium und andre pucher zu leßen, daran geschicht in (23) warlich unrecht und ob sie sich solchs zu thun untterstunden, würden wir in (24) gar nicht volgen und vil ee (25) E W gegen in (26) umb hillff anruffen, dann uns das wort gottes und andre nüczliche pücher also verpietten lassen.

Mugen (27) auch E W pey hochster warheit sagen, das wir das alt und new testament dewtsch und latteinisch im teglichen geprawch und ubung haben und nach unßerm vermügen befleissen das recht und wol zu versten und nit allein leßen wir die bibel, sunder auch was teglich furfellt und uns zukumpt ausserhalb der smechpucher (28), die uns unßer gewissen beswern und unßers achtens nicht alweg der cristenlichen einfeltigkeit gemeß syndt. Hoffen je, got werd uns seinen heilligen und waren geist auff unßer herczliche pitt nit versagen noch verhalten, damit wir das wort gottes recht und nach seinem waren verstandt mügen vernemen, nicht allein dem puchstaben nach, sunder auch dem geist nach. Darumb wie woll uns von etlichen peygelegt will werden als verlaßen wir uns auf unßere eygene werck, hoffen allein durch dieselben selig zu werden, so ist uns doch von den genaden gottes unverporgen – es sag yderman, was er woll – das durch die werck allein kein mensch, wie der heillig Paulus sagt, gerechtferttiget werden kan, sunder durch den gelawben unßers herrn Jesu Christi; zu dem, das uns der herr Jesus Christus selbs lert, wenn wir die werck alle gethun haben, das wir uns dennoch unnucz dyner achten sollen. Wir wissen aber herwiderum auch, das ein rechter warer gelawb nicht an (29) gutte werck kan sein, als wenig als ein gutter pawm an gutte frucht, das auch got einem ytlichen menschen nach seinem verdynst lonen wird und, so wir vor dem gericht Christi erscheinen werden, das meniglich (30) nach seinen wercken, sie synd gutt oder poß entpfahen würdt. Darumb auch der heillig Jacobus sagt, der gelawb sey an (31) die werck todt und ein ytlich (32) mensch, der den gelawben mit den wercken nicht anzeigt, sey einem menschen geleich, der sich in einem spigel ansicht, geth weg und weiß nicht, wie er gestalt geweßen ist. Derhalben der gelawb nit im mundt oder in wortten allein stet, sunder, der do recht gelawbt und wol würckt, der wirt selig.

Wir wissen auch, das wir allein uns die eygen werck nit sollen zumessen, geschicht aber etwas guttes durch uns, das solchs nit unßer, sunder gottes werck ist. Darumb uns an (33) grunt peygelegt wirt, das wir uns unßerer werck romen (34), sunder unßer rom (35) ist allein in dem verschmechten und gekrewczigten Christo, der uns heist sein crewcz auf uns zu nemen und im nachvolgen. Derhalben erkenn wyr uns schuldig, werden auch das geheißen den alten Adam untterzutrucken, den leib dem geist durch kestigung (36) untterwürffig zu machen, der wir geleichwoll im closter mer stat und ursach haben dann außwendig; das wir ausserhalb auch nit selig hoften zu werden, sunder das wir je gern in der beruffung, zu der uns got erfordert hat, pleiben wolten, dann warlich syndt wir [nit] von guttes leben wegen im closter oder nemen unßern lon hie ein, so weiß got und die welt, das wir arm ellend lewt syndt, aber unßer hoffnung streckt sich weitter, dieweill wir wißen, das wir hie kein beleibende stat haben.

Uns ist auch unverporgen, das die seligkeit nit in essen und trinkken noch in speiß stet; das wissen wir aber herwiderumb, das sie nit in essen und trincken, noch auch in fullerey (37) stet. Es muß dennoch gepett, gefast und gewacht, hunger und durst erliden werden, soll anders der sterblich leib vertruckt werden und der beleibend geist die oberhant gewynnen. Der aber durch zeitlich wollust gedenckt das hymelreich zu erlangen, mocht sich selbs woll betrigen, es sey denn, das die heillig geschrift falsch sey, nachdem die cristenlich freyheit nicht in dem fleisch, sunder in dem geist stet.

Wyr verachten auch den elichen standt nicht, dann wir wissen, wer sein junckfrawen verheyret, das derselbig wol thut, aber nach s[ant] Paulus ler wissen wir auch, wer sein junckfrawen nit verheyret, das derselb noch paß (38) thut. Ob wir nun got in der junckfrawschaft zu dynen uns untersten, kan uns warlich von nymandt verstendigem verwißen werden, wer aber zu solchem nicht geneygt oder nicht gern pey uns wer, der solt uns warlich auch unmer (39) sein; gedencken darumb kein swester pey uns mit gewalt oder irn eltern vorzuhalten, wollent auch derhalb nymandt urteyln, sunder ein ytlich mensch urteyl sich selbs; wirt meniglich wol rechnung thun, so wir alle fur das gericht gottes kumen. Aber als wir nymandt gern betrangen wolten als gern wolten wir auch unbedrangt und mit dem geist, nicht dem leib frey sein; das aber nit sein kent noch mocht, wo wir mit fremden selsorgern belestiget solten werden, dieweil solchs eygentlich der weg der erstörung unßer samlung (40) wer, dann ob wir geleich mit dem gottes wort und sacramentten versehen wurden, must dennoch, so sich die parfusser unßer entschlahen solten und der pischoff nicht uber uns zu pitten hat, die visitacion verpleiben, an der dan nit der wenigst teyl eines clösterlichen lebens gelegen ist, gesweigen ander zufell, so sich teglich pey den clöstern eräugen.

Wes wolt sich aber E W selbs zeihen und das arm gertlein der lang hergeprachten pflanzung also zergen laßen, warumb wolt sich die mit solcher handelung der gewissen beswern und uns ein purd auflegen, die uns nicht mynder erschrocklich und grawssam wer dan der zeitlich oder leiplich todt, den wir, wiß got, mit geringerm herczen leiden wolten, dann das uns dißer swerer eingang gemacht werden solt. nit darumb, das wir der münch geratten musten, sunder das wir vor unßern augen die geferlikeit unßer selnheyl und die zertrennung (41) unßer versamlung sehen. Es ist warlich in dißer geferlichen zeit unnot ursach zu ergerung und misshandelung zu geben, dann sich dieselben an das (42) teglich, wie E W weiß uberflüssig ereugnen. Wo (43) sich E W recht bedencken will, synd wir warlich derselben vil erlicher (44) in dem closter, dieweil wir gern und ungezwungen darinnen synd dann heraußen. Got woll, das E W mit vernunftiger vor [?] betrachtung ermeß und nit mit der that erfar. Wir wissen auch eygentlich, wo (45) E W als woll als wir diße unßer bewerung wurden betrachten, die wurd sich nit allein uber uns erparmen, sunder auch ein mitleiden trewlich mit uns haben, ob die auch ein steinen hercz het, dieweil uns diße sach nit allein das zeitlich, sunder, wie vor gemelt, unßer sel heyl und ewigs betreffen will; haben wir uns einiger sach ungepürlich gehalten oder was verwürckt, woll wir uns gern, wo uns das angezeigt wirt, pessern, auch straff darum leiden; haben wir aber nichts verhandelt, darumb uns dißer swerer last solt auffgelegt werden, als wir auch zu dem almechtigen got hoffen, nicht geschehen sey. Wes wolt uns ellende dan E W zeihen, wir wissen und erkennen uns vor got arm und ellend sunderin, dieweil vor desselben augen auch kein newgeporn kindt rein kan sein, aber gegen der welt und E W wissen wir uns alles untadels frey und rein.

Dem allen nach pitten wir E E W umb unßers und des hochsten gottes willen, umb die menschwerdung unßers herrn Jesu Christi und seins heilligen leidens, umb sein tewr plut, das er umb unßer erloßung willen vergossen hat, umb cristenlicher lieb und hoffnung willen, die alle menschen auf das kunftig leben haben, die selb wöll dißes ires furnemens (46) gunstiglich absten und uns armen, ellenden kinden und plöden (47) frawenpild pey vorigen unßern unstrefflichen, lang hergeprachten weßen entlich beleiben und got dem herrn dynen laßen und dißes uberswerlichen lasts genediglich uberheben, auff das euch got an seinem großen tag auch genediglich und parmhercziglich sey und das mitteyl, so ir andern auch mitgeteylt habt. Wo (48) aber E W je nit gelegen sein wolt ires furnemens (49) yczt und alspald abzusten, so pitten wir doch abermals auffs hochst und umb gottes willen, dieselbig woll doch die sach auffzyehen (50), diß mal yn rw stellen und auff diße geferliche, ellende zeit ein lenger aufsehen (51) haben. Wirt villeicht mittlerzeit, als wir hoffen, got sein genad geben, das alle ding in pesser weßen und ordenung, dann sie icz sein, gekert werden, wo nit die welt umb irer sundt wegen gestrafft solt werden, oder aber der tag des herrn sich nehnen [!] wirdt, wollen und müßen wir das auch wie die andern cristgelewbigen menschen erwartten und unßer hoffnung allein in die genad und parmherczigkeit gottes seczen, die woll E W den rechten warn geist geben zu handeln, das derselben und uns armen, ellenden, betrubten kinden zu irer sel seligkeit am nüczten und pesten sey. Wollen uns damit E W in aller demütigkeit befelhen und nach got unßer hoffnung und trost in dieselben geseczt haben, genedige antwordt wartten.

Auf diße supplicacion wurd uns kein andre antwurt den ein E R (52) wolt die sach auf dißmal in rw stellen piß auf weytern bescheid. [ . . . ]



1) e[uer] e[rbar] w[eisheit]
2) unnötig
3) verstehen
4) immer
5) ohne
6) Widerspenstigkeit
7) vorher, früher
8) Haushalten
9) Eigentum, Besitz
10) ohne Ruhm
11) in geistlichen Dingen
12) ohnedies
13) oder
14) Verwandten
15) ohne
16) erwähnten
17) schlicht, einfach
18) Erwägung, Rücksichtnahme auf
19) selten
20) wie 13
21) ihnen
22) wie 11
23) wie 21
24) wie 21
25) eher
26) sie
27) [wir] können
28) Schmähbücher = theologische Streitschriften
29) ohne
30) jeder
31) ohne
32) jeglicher, jeder
33) ohne
34) rühmen
35) Ruhm
36) Kasteiung, Züchtigung, Bußübungen
37) Völlerei, Unmäßigkeit
38) besser
39) unwert, gleichgültig?
40) Gemeinschaft, Konvent
41) Auflösung
42) ohnedies
43) wenn
44) richtige Lesart wohl: celicher = mit besserem Recht, gesetzmäßiger
45) wenn
46) Vorhabens
47) einfachen, schlichten
48) wie 45
49) wie 46
50) aufschieben
51) Augenmerk, Aufsicht
52) e[rber] r[at]

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