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Dem Beispiel Christi folgen – Thomas von Kempen, Die Nachfolge Christi (ca. 1418)

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Das 25. Hauptstück.
Dein ganzes Leben muß ganz anders werden.

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6. Denke an deinen gefaßten Entschluß, und stelle dir vor das Bild des Gekreuzigten.

Da magst du wohl schamrot werden, wenn du in diesen Spiegel, in das Leben Jesu Christi schaust; daß du dich noch so wenig bemüht hast, ihm ähnlich zu werden, obwohl du schon lange den Weg erwählt hast.

Ein gottseliger Mensch, der sich mit Eifer und Andacht in dem heiligsten Leben und Leiden des Herrn übt, der wird darin Alles überschwänglich finden, was ihm nützlich und unentbehrlich ist; er wird keine Ursache haben, außer Jesus etwas Besseres zu suchen.

O! wenn Jesus, der Gekreuzigte, in unserm Herzen lebte, wie bald und wie reichlich würden wir Alles gelernt haben, was wir zu wissen nöthig haben!

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10. Wenn es der Mensch einmal soweit bringt, daß er seinen Trost nicht mehr bei den armen Kreaturen betteln muß, dann, dann fängt er erst recht an, die Freundlichkeit Gottes zu schmecken; dann ist er in sich selbst (weil Gott in ihm ist) vollkommen vergnügt und befriedigt; unbekümmert, wie es draußen gehen oder stehen mag.

Dann wird ihn nichts Großes erfreuen, und nichts Kleines traurig machen können; denn er hat sich ganz und zuversichtlich in Gott hinein versetzt, der ihm nun Alles in Allem ist, dem nichts verderben noch sterben kann, dem alle Dinge leben, und auf jeden Wink unverweilt gehorchen müssen.

11. Denk’ immer an das Ende, und daß verlorne Zeit verlorne ist — unwiederbringlich.

Ohne Eifer und Fleiß wirst du keine Tugend erlangen.

Sobald du anfängst zu erkalten, sobald fängst du auch an elend zu sein.

Wenn du aber das Feuer des Eifers gleich brennend unterhältst, wirst du großen Frieden finden, und alle Mühe erleichtert fühlen; denn die Gnade Gottes, und Lust und Liebe zur Tugend machen Alles leicht.

Ein eifriger und fleißiger Mensch ist zu Allem rüstig und bereit.

Den Lastern und Leidenschaften Widerstand leisten, ist ein schweres Stück Arbeit; schwerer, als ununterbrochen die schwerste Handarbeit treiben.

Wer geringe Fehler nicht achtet, wird bald in große fallen.

Freude wird jedesmal dein Abendbrod sein, wenn du den Tag nützlich zugebracht hast.

Wache über dich selbst; wecke dich selbst auf; ermahne dich selbst; und wie es auch immer mit Andern geht, versäume du nur dich selbst nicht.

Du wirst nur soweit im Guten fortschreiten, als du dir selbst Gewalt anthust.

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