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Ulrich Scheuner, Bemerkungen zum rechtlichen Status der „Displaced Persons” in Deutschland (14./15. Dezember 1948)

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3. Die Erwartung, durch einen Minderheitenstatus den deutschen guten Willen zu zeigen, mag zutreffen. Die weitere Hoffnung, damit Schritte in der Entwicklung eines neuen Minderheitenrechts zu tun, das auch den deutschen zugute komme, geht fehl. Das alte Minderheitenrecht ruhte auf dem festen Fundament des Schutzes individueller menschlicher Grundrechte, Freiheit, Gleichheit, Schutz des Eigentums und der Gewissensfreiheit. Es ist nicht einzusehen, warum diese Rechte nicht auch den DP als Ausländern gesichert werden können. Einem internationalen Minderheitenrecht ist mit dem Schutz von Ausländern nicht gedient, weil das ein anderes Problem ist als das der ansässigen nationalen Minderheiten. Zudem ist gerade in Osteuropa unter Mitwirkung der Alliierten (Potsdam) das Minderheitenrecht ersetzt worden durch die Lösung der Austreibung der Minderheiten. Die darauf in Deutschland, das 11 Millionen deutscher Flüchtlinge aufnehmen mußte, eingetretene Reaktion kann nicht ohne weiteres sein, durch weitgehende Minderheitenrechte etwa beispielgebend zu wirken. Ehe nicht die in Potsdam beschrittene Straße der Zwangsaustreibungen eindeutig verlassen ist, erscheint jeder Gedanke an die Wiederherstellung eines Minderheitenrechtes in Osteuropa utopisch. Statt dessen sehen wir heute auch die Austreibung weiterer 500.000 Magyaren aus der Slowakei weitergehen, erleben die gleichen Erscheinungen der Unduldsamkeit und des übertriebenen Nationalismus in Palästina und Indien. Da Deutschland das Hauptopfer dieser Entwicklung geworden ist, hat es freilich alles Interesse daran, menschlichere Grundsätze zur Geltung zu bringen. Aber man wird kaum erwarten können, daß es dies durch Schaffung eines Minderheitenstatus für Ausländer auf seinem Boden tut.

Es kommt weiter hinzu: Das Gutachten B. geht in seiner Idee kultureller Autonomie und internationalem Beschwerderecht von Vorstellungen aus, wie sie in Deutschland seit 1920 ff. entwickelt wurden. Diese Ideen einer geschützten und international garantierten Minderheit haben sich als gefährlich und trügerisch erwiesen. Sie erweitern unvermeidlich die Kluft zwischen Minderheit und Mehrheitsvolk und führen schließlich zur Ausschließung der Minderheit aus dem Leben des Staates. Der richtige Weg kann nur der - in Belgien und der Schweiz vorbildhaft beschrittene - einer vollen bürgerlich-öffentlichrechtlichen Gleichstellung der verschiedenen nationalen Gruppen ohne irgendwelche korporativen Organisationen oder ausländische Intervention sein. Nur dieser bewährte Weg hilft. Das bedeutet, wenn diese DP als dauernde Bewohner in Deutschland bleiben wollen, so ist der Weg hierzu ihre Gleichstellung in allen rechtlichen Beziehungen, aber ohne Sonderstatus.

Es muß auch letztlich bemerkt werden, daß die DP in Deutschland praktisch Dauergäste oder - wenn sie bleiben - eine Art Einwanderer darstellen. Vom Einwanderer aber verlangt jeder Staat Anpassung.

Zusammenfassend kann also zum Gedanken Minderheitenstatut gesagt werden: Ein solches Statut, wie es dem Gutachten B. vorschwebt, wird der heutigen internationalen Situation nicht mehr gerecht. Der Schutz der elementaren Menschenrechte und der kulturell-religiösen Gewissensfreiheit, nicht aber korporative Organisation als Minderheit ist heute für fremdnationale Gruppen anzustreben.

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