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Der Stadtdirektor von Haltern über die Unterbringung von „Displaced Persons” (16. Dezember 1946)

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3.) Die ehedem gepflegten Häuser u. Strassen sind jetzt völlig verunreinigt, die Gärten und Plätze gleichen verwilderten Anlagen alter Ruinen. Sogar Kleiderschränke werden in den Gärten als Toilettenanlagen benutzt. Über den Zustand der Häuser ist amtlich nichts bekannt. Als symptomatisch kann jedoch bezeichnet werden, dass in den kürzlich an der rechten Straßenseite - Reichsstraße Haltern - Wesel - freigegebenen 15 Häusern grössere Reparaturen an Fussböden, Fenstern, Türen und vor allen Dingen an den Dächern vorgenommen werden mussten. Das Hausinventar dieser Häuser fehlt.

4.) Viele der Ausgewiesenen, wie Bergleute, Eisenbahner und andere Arbeiter müssen zusehen, wie an ihrem durch mühsamen Fleiss erworbenen Eigentum die Fussböden, Türfüllungen und Fensterrahmen herausgerissen und verbrannt werden und wie ihre Häuschen völlig dem Zerfall preisgegeben sind. In letzter Zeit wird sogar mit dem Abdecken der Häuser und Verbrennen der Dachbalken und Dachlatten begonnen. Die leerstehenden Häuser und fast alle Stallungen sind auf diese Art und Weise völlig unbrauchbar geworden. Das Hausinventar ist meistens zu Schwarzmarktpreisen verkauft bzw. von den zu anderen Lagern verlegten Polen mitgenommen worden. Nur wenige Stücke konnten mit Hilfe der Polizei den Eigentümern wieder zur Verfügung gestellt werden.

5.) Der in dem Sperrgebiet befindliche Wohnraum wird, bedingt durch die Zerstörung früherer Lagerinsassen und durch das Zusammenscharren vieler Personen in einem Hause, nicht völlig benutzt. Die Folge ist, dass weitere Baulichkeiten der Zerstörungswut gewisser Elemente zum Opfer fallen.

6.) Wurde eingangs bereits durch einen Gesamtüberblick ein Bild von dem unhaltbaren Zustand in Haltern gegeben, so sollen nunmehr Tatsachen diese Angaben erhärten. Seit dem Bestehen des Ausländerlagers wurden in Haltern Stadt und Amt an grösseren Strafdelikten begangen:

 
1945
1946 v. 1.1.46 b.31.3.46
1946 v. 1.4.46 b.30.6.46
1946 v. 1.7.46 b.30.9.46
1946 v. 1.10.46 b.16.12.46
Mord bzw. Totschlag
12
1
-
1
-
Raubüberfälle a.Bauernh.
etw. 420
33
5
7
13
Sonstige Raubüberfälle und Einbrüche
etw. 550
65
38
22
12
Grossvieh gestohlen
etw. 720
32
5
26
-
Kleinvieh gestohlen
mehr
85
28
27
5
Fahrräder gestohlen
etw.
27
37
42
18
Bekleidungsstücke
etw.
660
36
14
54
Uhren
etw.
10
2
8
8

Die unzähligen kleineren Diebstähle sind in dieser Statistik nicht einbegriffen.

Nur die langersehnte Hoffnung auf eine endgültige Auflösung des DP-Lagers, wozu bereits von mehreren Stellen bisher vergebliche Schritte unternommen wurden, läßt die Bevölkerung Halterns diese chaotischen Zustände augenblicklich noch ertragen.



Quelle: BArch, Z 40/468, Ausfertigung; abgedruckt in Udo Wengst und Hans Günther Hockerts, Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland. Bd. 2/2: 1945-1949: Die Zeit der Besatzungszonen. Sozialpolitik zwischen Kriegsende und der Gründung zweier deutscher Staaten. Dokumente. Baden-Baden: Nomos, 2001, S. 229-31.

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