GHDI logo

Publizist Arnulf Baring warnt vor einem deutschen Niedergang (1997)

Seite 3 von 5    Druckfassung    zurück zur Liste      nächstes Dokument


Lähmende Überbürokratisierung

Ein wichtiges, alle Initiativen hemmendes Problem ist die lähmende Überbürokratisierung des Landes. »Zu beginnen ist bei unserer Gesetzgebung«, schreibt der CDU-Politiker Rupert Scholz. »Wurden auf Bundesebene in der zehnten Wahlperiode (1983 bis 1987) lediglich 612 Gesetzesvorhaben eingebracht, so waren es in der zwölften (1990 bis 1994) bereits 895 und sind es in der laufenden schon knapp 600. Fast 2000 Bundesgesetze und fast 3000 Bundesrechtsverordnungen mit rund 85 000 Einzelvorschriften spiegeln das Maß gesetzgeberischer Überregulierung und damit auch gesellschaftlicher Überforderung wider. Vom allpräsenten Gesetzgeber muß rasch Abschied genommen werden.« Auch Helmut Schmidt spricht von einer »übermäßigen Gängelung durch Abertausende staatlicher Vorschriften«; nur die nackten Gesetzestexte der Bundesrepublik machten über 80 000 Blatt aus. Allein schon das Baurecht ist ein Paragraphendschungel, was natürlich der Korruption Tür und Tor öffnet. Wir sind von einer Regulierungswut besessen, die alles Leben im Keim zu ersticken droht.

[ . . . ]

Die Krise der Staatsfinanzen

Die Krise des Sozialstaates zeigt sich am deutlichsten in der katastrophalen Lage der Staatsfinanzen. Die Verbindlichkeiten der öffentlichen Hand sind zwischen 1949 und 1989 von 20 auf 900 Milliarden Mark angewachsen. In den folgenden sechs Jahren hat sich die Schuldenlast verdoppelt. 1996 mußte Bundesfinanzminister Theo Waigel Kredite in Höhe von rund 195 Milliarden Mark aufnehmen. Der größte Teil davon, nämlich 135 Milliarden Mark, ist nicht für den Bundeshaushalt bestimmt, sondern dient zur Tilgung früher aufgenommener Kredite. Aber auch die Nettoneuverschuldung wuchs 1996: auf 78,3 Milliarden Mark, das waren 18,4 Milliarden Mark mehr als im Haushaltsplan vorgesehen. Die Schuldenquote (gemessen am Bruttosozialprodukt) stieg von 41 Prozent im Jahr 1989 auf 60,5 Prozent Ende 1996. Damit überstieg sie erstmals den nach Maastricht-Kriterien zulässigen Grenzwert. Entsprechend hoch ist der Schuldendienst: Die Zinslast des Bundes wächst und wächst. Im Jahr 1990 reichten noch knapp 35 Milliarden aus, um die Schulden zu bedienen. 1996 rechnete der Bundesfinanzminister mit 53,8 Milliarden Mark Zinsausgaben. Das sind fast zwölf Prozent der Gesamtausgaben des Bundes. Und die Belastung wird in den kommenden Jahren noch steigen. Denn weil der Bund Jahr für Jahr neue Schulden macht (im Dezember 1996 betrug sein Schuldenberg fast 800 Milliarden Mark), nimmt auch die Zinslast weiter zu. Nach Berechnungen, die Waigel Ende 1996 in seiner mittelfristigen Finanzplanung anstellte, werden die Zinsausgaben im Jahr 2000 gut 68 Milliarden Mark betragen; jede siebte Mark, die der Bund dann ausgibt, fließt in den Zinsendienst. Rechnet man die Schulden von Ländern und Gemeinden hinzu, kommt man glatt auf das Doppelte, also weit über hundert Milliarden Mark nur für Zinsen!

Die Ausgaben für den Sozialstaat 1996 entsprachen in etwa einem Drittel der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung Ost- und Westdeutschlands. »Jede dritte Mark in unserem Staat wird nach wie vor für Soziales ausgegeben«, brüstete sich Norbert Blüm im Juni 1996 vor dem Bundestag und fügte stolz hinzu: »Das gibt es fast auf der ganzen Welt nicht mehr.«

[ . . . ]

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite