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Die Goldene Bulle (1356)

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Kapitel 1
Wie das Geleit der Kurfürsten sein soll und von wem durchgeführt

[Zusammenfassung: Jeder Kurfürst ist verpflichtet, den anderen Kurfürsten oder deren Botschaftern freies Geleit zu gewähren, wenn eine Wahl ansteht. Kurfürsten, die sich dem widersetzen, sollen ihre Stimme in der jeweiligen Kaiserwahl verlieren; der niedere Adel macht sich des Verrats schuldig und verliert sämtliche Lehen, ungeachtet, von welchen Herren er diese erhalten hat. Bürger, die das Geleit verweigern, sollen sämtliche Rechte, Privilegien und Vorzüge verlieren, und gleichermaßen als meineidig gelten. Städte sind verpflichtet, an zur Wahl Reisende oder der Wahl beiwohnende Kurfürsten und deren Botschafter (Lebensmittel und andere Güter zu gewöhnlichen Preisen) zu verkaufen. Kurfürsten, die in Fehden verwickelt sind, sollen dennoch diese Regeln beachten, genau wie andere Herren, die in Fehden oder Kriege mit einem ihrer Mitkurfürsten verwickelt sind. Folgend eine Auflistung der Herren, die dem jeweiligen Kurfürsten freies Geleit zu gewähren haben. Der Erzbischof von Mainz hat das Datum der Wahl durch von seinen Boten ausgetragene offene Briefe bekannt zu machen sowie den Tag und die Frist anzukündigen, bis zu welchem diese Briefe wahrscheinlich eintreffen können. Innerhalb der folgenden drei Monate muss der Kurfürst in Frankfurt am Main anwesend sein oder seinen gesetzlichen Botschafter dorthin schicken. Wenn der Erzbischof es versäumt, solch ein Treffen innerhalb eines Monats nach dem Tod des Kaisers mitzuteilen, dann sollen die Kurfürsten aus eigenem Antrieb in Frankfurt zusammenkommen. Kein Kurfürst darf mit mehr als zweihundert Berittenen, von denen nicht mehr als fünfzig bewaffnet sein dürfen, Frankfurt betreten. Wenn ein Kurfürst aber nicht kommt oder vor der Wahl wieder abreist, soll er seine Wahlstimme für diese Wahl verlieren. Die Bürger von Frankfurt sind dafür verantwortlich, alle Kurfürsten und ihre Bewaffneten vor dem Überfall eines anderen zu schützen; auch soll niemand anderes während der Wahl in die Stadt hineingelassen werden.]


Kapitel 2
Die Wahl des Römischen Königs

[Zusammenfassung: Sobald die Kurfürsten nach Frankfurt gekommen sind, sollen sie eine Messe singen lassen zu folgendem Zweck: der Heilige Geist erleuchte ihre Herzen und ihren Geist, auf dass sie einen gerechten, guten und geeigneten Mann als Römischen König und künftigen Kaiser wählen; danach sollen sie vor dem Evangelium des Hl. Johannes einen Eid schwören, dass sie einen Römischen König wählen wollen, der tauglich sein muss, ohne alle Bedingung, Bezahlung, Belohnung, Verabredung „oder wie man solches ansonsten nennen kann.“ Dann sollen sie zur Wahl schreiten, die mehrheitlich entschieden werden soll, und sollen nicht abreisen, bevor sie Erfolg gehabt haben. Wenn sie dies zu tun dreißig Tage hinauszögern, sollen sie fortan nur Wasser und Brot essen, bis eine Mehrheit von ihnen einen Herrscher und zeitliches Haupt der Gläubigen gewählt hat. Sobald eine Mehrheit einen König gewählt hat, soll das Ergebnis so angesehen und gehalten werden, als ob es einmütig vollzogen wäre. So ein Kurfürst oder sein Vertreter verspätet eintrifft, soll er zu der Wahl in dem Stand zugelassen werden, in dem sie sich zu dieser Zeit befindet.]

Und weil das Folgende nach alter, bewährter und lobenswerter Gewohnheit bislang stets unverbrüchlich beachtet worden ist, deswegen bestimmen Wir und verfügen aus der Fülle kaiserlicher Macht: Derjenige, der auf die vorgenannte Weise zum Römischen König gewählt wird, soll sofort nach so erfolgter Wahl, bevor er in irgendwelchen Sachen und Geschäften kraft des heiligen Reiches Verfügungen trifft, den geistlichen und weltlichen Kurfürsten, die ja bekanntlich die nächsten Glieder des heiligen Reiches sind, samt und sonders alle ihre Privilegien, Urkunden, Rechte, Freiheiten, Verleihungen, alte Gewohnheiten und auch Würden und all das, was sie bis zum Tag seiner Wahl vom Reich innegehabt und besessen haben, ohne Verzug und Widerspruch durch seine Urkunden und Siegel bestätigen und bekräftigen; er soll ihnen alles Vorgenannte erneuern, nachdem er mit den kaiserlichen Herrschaftszeichen gekrönt worden ist. [ . . . ]

In dem Falle schließlich, daß drei anwesende Kurfürsten (oder Botschafter von abwesenden) einen vierten aus ihrer Mitte oder Gemeinschaft, das heißt einen anwesenden oder abwesenden Kurfürsten zum Römischen König wählen, soll nach Unserer Verfügung die Stimme dieses Gewählten, wenn er anwesend ist (oder seiner Botschafter, wenn er abwesend sein sollte), volle Kraft haben, die Zahl seiner Wähler erhöhen und die Mehrheit herstellen – genau wie die der anderen Kurfürsten.

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