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Die Goldene Bulle (1356)

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Im Namen der heiligen und ungeteilten Dreifaltigkeit. Heil und Segen. Amen. Karl IV., durch das Walten von Gottes Gnaden Römischer Kaiser, allzeit Mehrer des Reiches, und König von Böhmen; zu ewigem Gedenken an den Vorgang. Jedes Reich, das in sich selbst gespalten ist, wird zerstört, denn seine Fürsten sind zu Diebsgesellen geworden, darum hat der Herr mitten unter sie einen Geist des Schwindels ausgegossen, damit sie am Mittag stolpern wie im Finstern, und er hat ihre Leuchter von ihrer Stelle gerückt, damit sie Blinde sind und Führer von Blinden, und die im Finstern gehen, stoßen an, und blind im Herzen begehen sie Untaten, die bei Spaltung vorkommen. Sprich, Hoffart, wie hättest du mit Luzifer Gerichtszeit halten können, hättest du die Spaltung nicht als Beistand gehabt? Sprich, neidischer Satan, wie hättest du Adam aus dem Paradies vertreiben können, hättest du ihn nicht dem Gehorsam abspenstig gemacht? Sprich, Unkeuschheit, wie hättest du Troja zerstören können, hättest du nicht Helena von ihrem Gatten geschieden? Sprich, Zorn, wie hättest du den Römischen Staat zerstören können, hättest du nicht Pompejus und Julius Cäsar in Spaltung mit wütenden Schwertern zu innerem Krieg aufgestachelt? Besonders du, Mißgunst, hast das christliche Kaisertum, das von Gott zum Gleichnis für die heilige und ungeteilte Dreifaltigkeit mit Glaube, Hoffnung und Liebe – den göttlichen Tugenden – gefestigt ist und dessen Fundament auf dem allerchristlichsten Königtum heilsam und segensreich gegründet ist, mit dem altbösen Gift, das du wie die Schlange in verbrecherischer Untat auf die Zweige des Reiches und seine nächsten Glieder gespritzt hast, um nach Einsturz der Säulen das ganze Gebäude als Ruine zusammenstürzen zu lassen – so hast du also mannigfach Spaltung unter die sieben Kurfürsten des Heiligen Reiches gebracht, durch die, wie durch sieben brennende Leuchter in der Einheit des siebenfältigen Geistes, das Heilige Reich erleuchtet werden soll. Da Wir nun wegen des Amtes, das Wir aufgrund der Kaiserwürde innehaben, künftigen Gefahren aus Spaltung und Zwietracht bei den Kurfürsten, zu deren Zahl Wir, wie man weiß, als König von Böhmen gehören, in doppelter Hinsicht – sowohl wegen des Kaisertums wie auch wegen des von Uns wahrgenommenen Wahlrechts – zu begegnen gehalten sind, haben Wir – zur Förderung der Einigkeit unter den Kurfürsten, zur Herbeiführung einer einstimmigen Wahl und zur Behebung der vorgenannten abscheulichen Spaltung und der mannigfaltigen, aus ihr folgenden Gefahren – auf Unserem feierlichen Hoftag zu Nürnberg die nachstehenden Gesetze, im Beisein aller Unserer geistlichen und weltlichen Kurfürsten, sowie vor einer zahlreichen Menge anderer Fürsten, Grafen, Freiherren, Herren, Edlen und Städte, auf dem Thron kaiserlicher Hoheit, geschmückt mit den kaiserlichen Gewändern, Kleinodien und der Krone, nach vorausgegangener reiflicher Beratung, aus der Fülle kaiserlicher Gewalt vorgelegt, verabschiedet und zu bestätigen für gutbefunden; im Jahre des Herrn 1356, in der 9. Indiktion, am 10. Januar, im 10. Jahr Unserer Königreiche und im 1. Unseres Kaisertums.

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