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Vom Ziegenhirt in den Alpen zum Griechischlehrer – Thomas Platter (1499-1582)

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Wie ich nun die zyt by dem meister gedienet hatt, min best gethan, das hernach, do ich mit mim wib in Walles zogen gan Visp, der selb pur zů miner hußfrowen sagt, er hette nie besser dienstlin ghan, wie klein und iung ich noch was. Under andren mins vatters säligen schwestren was eini, die hatt kein man; deren hatt min vatter mich in sunderheit befolen, die will ich das iungkind was; die hieß Fransy. Wie angentz lüt zů iren kamen und sagten, wie ich so an eim sorglichen dienst weri, ich wurde mich ein mall ztott erfallen, so kumpt sy zů minem meister, anzeigend, sy welte mich nit mer do lossen. Do was er übel zfriden; doch fůrt sy mich hinweg, wider an Grenchen, do ich erboren was; datt mich zů eim alten rychen puren, der hieß Jans im boden; dem mießt ich ouch der geissen hietten. Do hatt es sich uff ein zyt zůtragen, das ich und ein iunge tochter, die ouch der geissen irem vatter hůt, das wier uns vernarret hattend by einer wasserleitten, do man das wasser den bergen nach zů den güttren fürt; do hatten wier mättlin gmacht und die gewässert, wie kind důnt. Die will waren die geiß den berg uff gangen, wier wußtend nit wohin. Do ließ ich min röklin do ligen, gieng den berg uff in alle höhin; das meittlin aber gieng an die geiß heim; ich aber, der ein arms dienstlin was, dorfft nit heim kommen, ich hette dan die geiß. In aller höhin fand ich ein iung gemßlin, was gar glich miner gitzen eim; dem gieng ich von witnuß nach, byß das die sun nidergieng. Do gsach ich zum dorff zů; do was schier nacht by den hüßren; fieng ich an nidtzich gan, aber es was glich gar nacht. Noch kreßmet ich von eim boum zum andren (die beim waren lerchen, daruß die glori flüßt), an den wurtzen den rein nider (dan ettlich wurtzen waren ledig, das der herd an der gähen halden darvon was gerisen). Do es aber gar finster was und empfand ich, das <es> gar stotzend war, gedacht ich nit witter zů schlichen, sunder hatt mich mit der lincken hand an einer wurtzen, mit der andren kratzet ich den herd under dem boum und wurtzen dannen; do ghort ich, wie der herd nitzsich rißlet; stieß ich den ruggen und hindren under die wurtzen, hatt nütz an den das hembdlin, weder schů noch hüttlin, dan das röklin hatt ich by der wasserleitten lassen ligen, vor angst, das ich die geiß verloren hatt. Wie ich nun also under dem boum lag, waren minen die rappen innen worden, schrüwen uff dem boum; do was mier gar angst, den ich forcht, der bär wäri vor handen, gsegnet mich und entschlieff. Blieb also schlaffend ligen, byß mornndes die sun über all berg schein. Als ich aber erwachet und gsach, wo ich was, weiß ich nit, ob ich min läbtag wurß erschroken bin; dan wen ich noch zwei klaffter tiefer weri gangen znacht, so weri ich über ein grusame hohe flů ab gfallen, vill tusend klaffter hoch. Do was ich in grosser angst, wie ich do dannen welt kummen; doch zoch ich mich wider übersich von einer wurtzen zů der andren, byß ich wider kam, do ich den berg nidsich gägend den hüßren mocht louffen. Wie ich schier by den gietren was uß dem wald, bekumpt mier ein meitlin mit minen geissen, wolt sy wider ußtriben, dan sy waren znacht selber heim geloffen, dorab dan das volk, by denen ich dienet, übell erschroken, das ich nit mit den geissen kam; meintend, ich weri zů todt gfallen, fragtend min bäsin und das volk in dem huß wonent, darin ich erboren was (dan das ist nechst by dem huß, do ich dienet), öb sy nütz von mier wyßtind; ich weri nit mit den geissen heim kummen. Do waren min bäsin und mins meisters gar alte frow die gantzen nacht an knüwen gelägen, gott gebätten, das er mich behütten welte, so ich noch by läben weri. Die bäsin was mins vettren můtter, von welchem Joannes Stumpf schribt, der zů Straßbur praeceptor ist gsin secundae classis. Demnach wolten sy mich nit mer lassen geiß hietten, von wägen das sy so übel erschroken waren.

Will ich by dem meister gsin bin und der geissen gehütten han, bin ich einest in ein großen keßel mit heißer milch, die ob dem feur war, gfallen unnd mich dermoßen verbrendt, daß die anmäler min lebenlang von dir unnd andren gsechen sindt worden. So bin ich ouch by im noch zwei mall in gferden gsin. Einest waren unser zwei hirtlin im wald, redeten mancherlei kindlich ding; under andrem wunschten wier, das wier kenden fliegen, so welten wier über berg uß dem land in Tütschland fliegen (so nennet man in Walles die Eidgnoschafft). Do kam ein grusamer grosser vogell zrůr uff uns geschossen, das wier meinten, er welte ein oder bed hinweg tragen. Do fiengen wier bed an schryen, mit den hirten stäklinen werren und uns gsägnen, byß der vogell hinweg floch; sprachen wier zůsamen: „Wier hand unrecht than, das wier gewinscht hand, das wier kenden fliegen“; gott hette uns nit gschaffen zfliegen, sunder zgan.

Ein ander mall was ich in eim gar stotzenden graben, sůcht kleinne stralen, das sind christallen, deren vill drin funden wurden. So gsich ich wit oben ein stein als ein ofen do har springen, und die will ich nit entrinnen mocht, buckt ich mich nider uff min angsicht; do fiell der stein ettlich klaffter ob mier nider und do über mich uß, dan sy, die stein, offt ettlich spieß hoch in den lifften do her springend. Sömlichs gůtz läbens und freid han ich manche by den geissen in bergen ghan, die mier vergessen sind. Das weiß ich woll, das ich selten gantz zehen gehebt han, sunder bletz drab gestossen, groß schrunden, offt übell gfallen; an schů der merteill im summer, oder holtzschů; grossen durst, das ich manch mall mier selbs in dhand brintzlet han und das für den durst getrunken; spyß was am morgend vor tag ein rogginerbrüw (bappen von roggin mäll gmacht); käß und rogginbrott gibt man eim in ein körblin mit zů tragen am ruggen; znacht aber erwelte käßmilch, doch dessen alles zimlich gnůg; im summer im höw ligen, im winter uff eim strow sack voll wentellen und offt lüsen; so ligend gmeinlich die armen hirtlin, die by den puren an den einödinen dienent.

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