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Vom Ziegenhirt in den Alpen zum Griechischlehrer – Thomas Platter (1499-1582)

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Als ich nun also by dry jaren erzogen was, ist der cardinall Mattheus Schiner durch das land gfaren, allenthalben zů visitieren und zů firmen, wie im bapstum der bruch ist; kam ouch an Grenchen. Zů der zyt was ein priester an Grenchen, der hieß herr Anthoni Platter; zů dem fůrt man mich, er solt min firmgöttin werden. Als aber der cardinall (was villicht do noch bischoff) zů ymbyß hatt geessen und wider in kilchen gieng gan firmen, weiß ich nit, was der herr Anthoni, min vetter, zů schaffen hatt [datt], das ich in die kilchen lyff, das man mich firmette und mier der götti ein kart gäbe, wie der bruch ist, den kinden etzwas zgen. Do saß der cardinall im sessel, wartend, wen man im die kind zůfůrte. Do bedenk ich mich gar woll, das ich zů im lyff; sprach er zů mier, wyll min götti nit by mier was: „Was wilt, min kind?“ Sprach: „Ich wolt gären firmen.“ Sprach er mit lachen: „Wie heissest?“ Antwurt ich: „Ich heissen herr Thoman.“ Do lachet er, brumlet neißwas, mit uffgelegter hand, und gab mier do mit der hand an baggen. Im selben kam herr Anthoni, entschuldiget sich, ich weri im unwissend entrunnen. Sagt im der cardinall, wie ich gsagt hette, und sprach zum herren: „Gwiß wird etzwas bsundrigs uß dem kind werden; woll als bald ein priester.“ Und die will ich den ouch, als man zů der mäß zamen gelüt hatt, an dwelt was kummen, meinten vill lüt, ich wurde priester werden, dorumb man mich den ouch dester fürer zů der schůll datt.

Do ich nun bin by 6 jaren alt gsin, hatt man mich zů den Eisten than, ist ein tall innert Stalden; do hatt miner můtter säligen schwester ein man, der hieß Thoman an Riedyn. Der saß uff eim hoff, hieß Imboden; dem můßt ich das erst jar der gitzin by dem huß hietten. Do mag ich mich <be>denken, das ich etwen im schnee bstäkett, das ich kum druß mocht kummen, mier offt die schülin do hinden bliben und ich barfůß zittrendt heim kam. Der selb pur hatt by 80 geiß; dären můßt ich das 7 und 8 jar hietten. Und als ich noch so klein was, wen ich den stall uff datt und nit glich näbendsich sprang, stießen mich die geiß nider, lieffen über mich uß, dratten mier uff den kopff, oren und ruggen (dan ich fiell mer teill fürsich). Wen ich den die geiß über die Vispen (ist ein wasser) uber bruggen treib, liffen mier die ersten in die säit (in die koren äker); wen ich die druß treib, liffen die andren drin; do weinet ich den und schrey, dan ich wußt woll, das man mich znacht wurd strichen. Wen aber den mer geißhirt zů mier kamen von andren puren, die hulffen mier den; in sunderheit einer, der was groß, der hieß Thoman im Leidenbach; den erbarmet ich, und datt mier vill gůtz. Do sassen wier den all zamen, wen wier die geiß uff die hohen und grusamen berg brachten, zarten mit einandren zamend, hattend ieglicher ein hirten körblin bschlossen am ruggen, käß und ruggenbrott drin. Uff ein zyt, als wier geessen hatten, wolten wier blatten schiessen; do was uff eim hohen schrofen oder felsen ein äbner platz. Wie nun einer nach dem andren zů dem zwek schoß, stůnd einer vor mier, der wolt schiessen; dem wolt ich hindersich wichen, das er mier nit blatten an den kopff oder antlit schliege; fiell hindersich über den felsen ab. Die hirten schruwen all: „Jesus! Jesus!“ byß sy mich nit mer sachen; dan ich was underhi under den felsen gfallen, das sy mich nit mochten sächen; vermeinten gentzlich, ich wer ztodt gfallen. Bald stůnd ich wider uff, gieng näbend dem felsen wider uffhi zů inen; do weinten sy, erstlich von kummer, do aber von freiden. Demnach by 6 wuchen fiell eim ein geiß do über ab, do ich gfallen was; die zerfiell zů todt. Do hatt mich gott woll behüttet.

Darnach villicht by eim halben jar fürt ich min geiß aber am morgent frü vor andren hirten (den ich was do der nechst) über ein eggen uff; hieß die wyß eggen. Do giengen min geiß zů der rechten hand uff ein felßlin, was eins gůtten schritz breit, und drunder grusam tieff, gwiß mer den tusend klaffter hoch, nütz den ein felsen. Von dem felßlin gieng ein geiß der andren nach, über ein schrofen, uff das sy blößlich die fůßklöwlin mochten stellen, uff die krud pöschlin, die uß dem felsen gewaxen waren. Wie sy nun all uffhi waren, wolt ich ouch do nohin. Als ich aber nit mer den ein schrittlin mich am graß hatt uffzogen, kond ich nit witter kummen, mocht ouch nit wider uff das schröfflin schritten, dorfft noch vil minder hintersich springen, den ich forcht, wen ich hindersich sprunge, ich wurde übergnöpfen und über den grusamen felsen verfallen; bleib also ein gůtte will stan, wartet uff die hilff gottes, mocht nit mer mier selben helffen, weder das ich mich mit beden hendlin an eim graß poschen hatt, und stůnd mit dem grossen zelin ouch uff eim pöschlin, und wen ich mied was, so zog ich mich uff am poschen und stalt das ander zeelin do hin. In diser nodt was mier aller ängstest, das ich die grossen giren forcht, die under mier in den lüfften flugen, das ich forcht, sy wurden mich hinweg tragen, wie den etzwen in den alpen beschicht, do die giren kind oder iunge schaff hinweg tragend. Die will ich nun do stůnd und mier der wind min gwendlin hinden uff wait (ich hatt ouch kein hosen an), so ersicht mich min gsell Thoman von wytnuß, wußt doch nit, was das was; wie er min röklin gsach flottren, vermeint er, es weri ein vogell; wie er mich aber recht ersicht, erschrak er, das er gar bleich wardt; sprach zů mier: „Tomilin, nun stand styll“, gad hin zů uff das felßlin, nimpt mich an den arm und dreit mich wider hindersich, do wier dan uff komen mochten zů den geissen. Ueber ettlich jar, nach dem ich uff ein mall uß den schůlen uß witten landen heim kam, ward der min gsell minen inen, kam zů mier und manet mich, wie er mich do vom todt erlößt hette (wie den war was; doch gib ich gott die err); wen ich priester wurde, sölte ich sinen ingedenk sin, in under den kelch stützen und gott für in bitten etc.

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