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Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Auszüge aus Die Vernunft in der Geschichte (1837)

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Dies ist das Prinzip der dritten Gestalt: die Allgemeinheit, ein Zweck, der als solcher ist, aber in abstrakter Allgemeinheit; es ist die Gestalt des römischen Reichs. Ein Staat als solcher ist Zweck, der den Individuen voransteht, für den sie alles tun. Dies kann als das Mannesalter der Geschichte angesehen werden. Der Mann lebt weder in der Willkür des Herrn, noch in der eigenen schönen Willkür; sein ist die saure Arbeit, daß er im Dienste lebt und nicht in froher Freiheit seines Zweckes. Der Zweck ist ihm zwar ein Allgemeines, aber zugleich ein Starres, dem er sich widmen muß. Ein Staat, Gesetze, Verfassungen sind Zwecke, und solchen dient das Individuum: es geht in ihnen unter und erreicht seinen eigenen Zweck nur als in dem allgemeinen. (Ein solches Reich scheint für die Ewigkeit zu sein, besonders wenn es auch noch das Prinzip der subjektiven Befriedigung so wie in der Religion in sich trägt, wenn es heiliges römisches Reich wird. Dies ist aber vor zwei Jahrzehnten untergegangen.)

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Das Reich der sich wissenden Subjektivität ist Aufgang des wirklichen Geistes; damit tritt das vierte Reich ein, nach der natürlichen Seite das Greisenalter des Geistes. Das natürliche Greisenalter ist Schwäche; das Greisenalter des Geistes aber ist seine vollkommene Reife, in der er zur Einheit zurückgeht, aber als Geist. Der Geist als unendliche Kraft erhält die Momente der früheren Entwicklung in sich und erreicht dadurch seine Totalität.

Es ist also die Geistigkeit und die geistige Versöhnung, die aufgegangen ist; und diese geistige Versöhnung ist das Prinzip der vierten Gestalt. Der Geist ist zu dem Bewußtsein gekommen, daß der Geist das Wahrhafte ist. Der Geist ist hier für den Gedanken. Diese vierte Gestalt ist notwendig selbst gedoppelt: der Geist als Bewußtsein einer innerlichen Welt, der Geist, der gewußt wird als das Wesen, als das Bewußtsein des Höchsten durch den Gedanken, das Wollen des Geistes ist einerseits selbst wieder abstrakt und beharrend in der Abstraktion des Geistigen. Insofern das Bewußtsein so beharrt, so ist die Weltlichkeit wieder sich selbst, der Roheit, Wildheit überlassen, neben der die vollkommene Gleichgültigkeit gegen die Weltlichkeit einhergeht; sie ist damit verbunden, daß es nicht zu einer vernünftigen Organisation im Bewußtsein kommt. Dies macht die mohammedanische Welt aus, die höchste Verklärung des orientalischen Prinzips, die höchste Anschauung des Einen. Sie ist zwar spätern Ursprungs als das Christentum; aber daß diese eine Weltgestalt wurde, ist die Arbeit langer Jahrhunderte gewesen und erst duch Karl den Großen vollbracht worden. Daß dagegen der Mohammedanismus Weltreich wurde, ist wegen der Abstraktion des Prinzips schnell gegangen; es ist ein früheres Weltregiment als das christliche.

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