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Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Auszüge aus Die Vernunft in der Geschichte (1837)

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Die negative Seite an diesem Gedanken der Veränderung weckt unsere Trauer. Was uns niederdrücken kann, ist dies, daß die reichste Gestaltung, das schönste Leben in der Geschichte den Untergang finden, daß wir da unter Trümmern des Vortrefflichen wandeln. Von dem Edelsten, Schönsten, für das wir uns interessieren, reißt uns die Geschichte los: die Leidenschaften haben es zugrunde gerichtet; es ist vergänglich. Alles scheint zu vergehen, nichts zu bleiben. Jeder Reisende hat diese Melancholie empfunden. Wer hätte unter den Ruinen von Karthago, Palmyra, Persepolis, Rom gestanden, ohne zu Betrachtungen über die Vergänglichkeit der Reiche und Menschen, zur Trauer über ein ehemaliges, kraftvolles und reiches Leben veranlaßt zu werden ? – Zu einer Trauer, die nicht am Grabe lieber Menschen bei persönlichen Verlusten und der Vergänglichkeit der eigenen Zwecke verweilt, sondern uninteressierte Trauer ist über den Untergang glänzenden und gebildeten Menschenlebens.

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2. Die Einteilung der Weltgeschichte

Die Einteilung der Weltgeschichte bietet eine allgemeine Übersicht, die zugleich den Zweck hat, den Zusammenhang auch nach der Idee, nach der innern Notwendigkeit, als begriffen bemerklich zu machen.

In der geographischen Übersicht ist uns schon im allgemeinen der Zug angegeben worden, den die Weltgeschichte nimmt. Die Sonne geht im Morgenlande auf. Die Sonne ist Licht; und das Licht ist die allgemeine einfache Beziehung auf sich selbst und damit das in sich selbst Allgemeine. Dies in sich selbst allgemeine Licht ist in der Sonne ein Individuum, ein Subjekt. Man hat oft vorstellig gemacht, wie ein Mensch den Morgen abrechen, das Licht hervortreten und die Sonne in ihrer Majestät emporsteigen sehe. Solche Schilderung wird hervorheben das Entzücktsein, Anstaunen, unendliche Vergessen seiner selbst in dieser Klarheit. Doch wenn die Sonne einige Zeit heraufgestiegen, wird das Staunen gemäßigt werden, der Blick mehr auf die Natur und auf sich die Aufmerksamkeit zu richten genötigt sein; er wird so in seiner eigenen Helle sehen, zum Bewußtsein seiner selbst übergehen, aus der ersten staunenden Untätigkeit der Bewunderung weitergehen zur Tat, zum Bilden aus sich selbst. Um am Abend wird er ein Gebäude vollendet haben, eine innere Sonne, die Sonne seines Bewußtseins, die er durch seine Arbeit hervorgebracht hat; und diese wird er höher schätzen als die äußerliche Sonne und wird in seinem Gebäude sich dies erschaffen haben, zum Geist in dem Verhältnis zu stehen, in dem er zuerst zu der äußerlichen Sonne stand, vielmehr aber in einem freien Verhältnis: denn dieser zweite Gegenstand ist sein eigener Geist. Hierin liegt eigentlich enthalten der Gang der ganzen Weltgeschichte, der große Tage des Geistes, sein Tagewerk, das er in der Weltgeschichte vollbringt.

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