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Johanna Trosiener, Tochter eines Kaufmanns aus Danzig und spätere Mutter des Philosophen Arthur Schopenhauer und der Schriftstellerin Luise Adelaide Lavinia Schopenhauer, sinniert über ihre Kindheit und Jugend in den 1770er Jahren (Rückblick)

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Die Art, wie diese meine Bitte aufgenommen wurde, war die erste recht bittre Erfahrung meines Lebens. Mein bei aller ihm eignen Heftigkeit dennoch gegen Unerfahrenheit und Unverstand seiner Kinder sonst so nachsichtiger Vater, – ich erkannte ihn nicht wieder!

Und noch jetzt, nach mehr als sechzig Jahren, verweile ich ungern bei der Erinnerung, wie unbarmherzig er meinen kindisch-abgeschmackten Einfall, wie er ihn nannte, verlachte

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[In die Reihe der Erwachsenen geschoben]

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Es war zur Dominikszeit; ich hatte im Laufe des vergangenen Monates mein dreizehntes Jahr vollendet, und fing an, mich als ein ziemlich erwachsenes Mädchen zu betrachten, obgleich ich noch nicht allen Umgang mit meinen Puppen abgebrochen hatte: meiner Schwester Lotte zu Gefallen, wie ich mir selbst und Andern weismachen wollte.

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An einem recht heißen sonnigen Vormittage stand demalso auch meine Mutter auf unserm kühlen Hausflur, mit einem böhmischen Glashändler über die Rekrutirung ihrer Tischgläser in eifrigster Verhandlung. Glühend, athemlos, eilend wie ein dem Netz entflatternder Vogel flog ich die Treppe hinunter, ihr in die Arme.

Mutter, keuchte ich ängstlich, der Kandidat will mich heirathen, und klammerte mich fester an sie an; vor Schrecken ließ sie die Gläser, die sie eben in der Hand hielt, fallen. Doch faßte sie sich bald, der Glasmann wurde einstweilen verabschiedet, und zu einer gelegeneren Stunde wieder bestellt, das Töchterchen aber vorläufig in Verhör genommen. Viel kam nicht dabei heraus; was ich ihr Alles vorgeklagt mitunter auch vorgeweint haben mag, weiß ich nicht mehr, aber es bewog sie doch, den Kandidaten in dem Zimmer aufzusuchen, wo ich ihn gelassen, als ich mitten in der Lehrstunde ihm davonlief. Ich aber schlich ganz verschüchtert in die Kinderstube, die noch immer meine eigentliche Heimath, mein Asyl in allen Nöthen war.

Nicht ich, wie meine Mutter im ersten Schrecken wohl gefürchtet haben mochte, sondern mein guter Philoteknos war es, der, um es höflich auszudrücken, ein wenig die Tramontane verloren. Die herzliche Liebe, die ich ganz unverhohlen bei jeder Gelegenheit ihm bewies, die unverstellte Freude, mit der ich Alles vollbrachte, was er mir auftrug, dazu noch meine kindische Art, mich so weit als möglich aus dem Fenster hinauszubeugen, um ihm nachzusehen, wenn er ging, und wo möglich noch einen Gruß ihm nachzuwinken, alles dies zusammengenommen hatte bei seinem Mangel an Weltkenntniß und Lebenserfahrung der gute Kuschel ganz mißverstanden. Es hatte ihn verleitet, zu vergessen, daß ich mit meinen dreizehn Jahren doch noch nichts weiter sei, als ein gutgeartetes, dankbares Kind.

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