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Die Jugendzeit des Sohnes eines Nürnberger Schneiders in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts (Rückblick)

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Mein Ehestand versüßte alle meine vorhergelittene Widerwärtigkeiten, und ich muß mit Wahrheit bekennen, daß ich mich, wenn ich an meine vorige Lage dachte und betrachtete die gegenwärtige, vor Vergnügen ausser mir war. Meine zweite Frau war gegen der ersten gerade das Gegentheil, und meine Ehe war eine der gesegneten.

Kamen manchmal verdrüßlichen Sachen vor, wo in den vergnügsten Ehen man denenselben nicht ausweichen kann, so war Sie gewiß befliessen, wo möglich es vor mir zu verbergen. Um mich für allen Zorn und Aergernis zu schonen, kurz wir beede waren ein Herz und eine Seele [ . . . ]

[Nach zehnjähriger Wartezeit hat Händler 1785 den Posten eines »Hochzeitladers« und »Leichenbitters« bekommen.]

[ . . . ] Meine häuslichen Geschäfte giengen auch Gottlob so ziemlich kontent, so, daß ich Gott nicht genug danken konnte. Alleine wie niemals in meinen ganzen Leben das Unglück lange von mir entfernt blieb, so war es auch gegenwärtig, meine gute brave rechtschaffene Frau, war in den Jahren, wo die Frauenzimmer meistentheils kraftlos und schwächlich werden. Gott nahm meine Frau zu sich.

Nachdeme ich eilf Jahre mit meiner seel. Frau in vergnügter Ehe lebte, und fünf Kinder mit ihr zeugte. Niemals war ich so überhäuft mit Geschäften als just zu der Zeit da meine Frau auf dem Krankenbett lag. Ich hatte Montag und Mittwoch zwei geladene Hochzeiten, und Donnerstags eine Leiche, so, daß ich keine Stunde bei meinen zweien unmündigen Kindern zu Hause seyn konnte, und über dieses hatte ich auch meiner Frauen Leiche zu besorgen. Meine Lage war wirklich so traurig als sie noch jemals gewesen, was war also zu thun; ich sahe kein anders Mittel vor mir, als wiederum zu heyrathen. Meine geneigten Leser darfen nicht glauben, daß die Wollust mich zu diesen Schritt verleitete. Keinesweges, sondern meine zwei unmündigen Kinder waren die Triebfedern, daß ich dieses thun mußte. Ich gieng mit guten Freunden zu Rathe, bat sie inständig mir zu sagen: was ich in meiner gegenwärtigen Lage thun sollte, das Resultat lief immer dahinaus, daß ich sobald als möglich, mich nach einer dritten Gehülfin umsehen sollte, indeme mir niemand der vernünftig denkt, es verargen könnte, denn ein Mann der sein Brod auf der Straße verdienen muß, kann zu Hause bei seinen Kindern nicht zugleich seyn, und über dieses folgen die Kinder fremden Personen nicht, so ist also der beste Rath je eher je lieber nach einer vortheilhaften Partie sich umzusehen, so bekommen die Kinder wieder eine Mutter. Ich rufte Gott inbrünstig an, mir mein Herz zu einer tugendhaften Person zu lenken [ . . . ]

[Am 7. 1. 1793 heiratet Händler zum dritten Mal.]




Quelle: Johann Christoph Händler, Biographie eines noch lebenden Schneiders von ihm selbst geschrieben, 2 Bände. Nürnberg, 1798, Bd. I, S. 1-160; Bd. II, S. 48-50.

Abgedruckt in Jürgen Schlumbohm, Kinderstuben, Wie Kinder zu Bauern, Bürgern, Aristokraten wurden 1700-1850. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1983, S. 259-68.

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