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Die Jugendzeit des Sohnes eines Nürnberger Schneiders in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts (Rückblick)

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[ . . . ] Meine damaligen Umstände waren wirklich betrübt und bedaurenswürdig; und meine guten Freunde die dazumal die wahre Beschaffenheit meiner Lage wußten, schenkten mir ihr Mitleiden. Ich sprach meine guten Freunde, wiederum um Arbeit an, welche mir auch in allen möglichen Unterstüzung versprachen, alleine ich sahe wohl ein, daß ich meine Wirthschaft ohne Frau unmöglich führen konnte, daher mußte ich mich zur zweiten Heyrath entschliessen. Ich rufte Gott an, (weil von oben alle gute Gaben kommen) mir mein Herz zu einer tugendhaften Person zu lenken. Ich gieng des andern Tages spazieren, um den sogenannten Bleicherweiher, und kam mir der schauderhafte Gedanke durch einen jähen Sprung könntest du dir von allen deinen Leiden auf einmal abhelfen. Alleine mein guter Genius gab mir bessere Gedanken und flisterte mir ein, daß ich noch nicht alle Hofnung aufgeben sollte, indeme ich ja durch eine zweite Heyrath mein Glück noch machen könnte, und über dieses sind das Proben der Vorsehung, um zu sehen, wie sich der Mensch auch bei allen Wiederwärtigkeiten des menschlichen Lebens verhält. Ich wurde in meinem Gemüthe ganz heiter, schlug mir alles aus dem Sinne, und gieng ganz getrost zum Spittler Thor herein, besuchte meine Schwester, und da traf ich zu meinem Glücke eine Anverwandtin an, welche ich in etlichen Jahren nicht gesprochen hatte, dieselbige äusserte gegen mich, daß Sie mich niemals so mismuthig und so melankolisch je gesehen hätte. Ich erwiederte daß Leute welchen meine Umstände ganz bekannt wäre, von mir es gar nicht anderst verlangen könnten; ich erzählte alles, und verhehlte nichts, diese Reden machten Eindruck, und zugleich erregten sie Mitleiden; durch die Länge der Zeit wurden wir in unsern Diskurs immer ernsthafter; und ich nahm mir die Freiheit zu fragen, ob dieselben nicht eine Magd hätten, welche Lust zum Heyrathen bezeigte, die Antwort war: daß Sie wohl zwei Mägde hätte, ob sie aber Lust zum Heyrathen hätten, wäre ihr nicht bekannt; das beste was Sie mir rathen könnte, wäre dieses, daß ich Sie heute Abends nach Hause begleiten sollte, da könnte ich alle beede sehen, und hätte also die Wahl, an der Fürsprache sollte es bei ihr nicht fehlen. Ich versprach dem allen nachzukommen, und wünschte nur, daß der Augenblick schon da seyn möchte, der zu meinem künftigen Glücke den Anfang machen sollte.

Um neun Uhr nahm ich mir die Freiheit die oben erwehnte Madam nach Hause zu begleiten; wo ich aber nicht so glücklich war, meine zukünftige Ehehälfte von Gesichte zu sehen. Es wurde also der kommende Tag fest gesezt, wo ich zum Essen invitirt wurde, denn der Mann vom Hause war nicht hier, er war dazumalen auf der Zurzacher Messe. Nach dem Essen bekamen wir einen Besuch von meiner zukünftigen Frauen ihrer Frau Mutter, es wurde beschlossen daß ich beim Kaffee bleiben sollte. Ich unterhielte Sie mit unterschiedlichen scherzhaften Erzählungen, endlich lenkte ich meine Diskurse auf den Hauptgegenstand, und fragte Sie, da ich eine eheliche Neigung gegen Dero Jungf. Tochter verspühre, so läßt mich Dero leutseliger Karakter hoffen, daß ich keine abschlägige Antwort erhalten werde. Ich verhehlte nichts, erzählte meine Umstände ganz genau, daß ich während meines aussen seyn, um alle das Meinige gekommen. Ich hofte aber zu Gott, daß dieses alles durch Sparsamkeit wiederum ersezt werden könnte. Ich erhielte zur Antwort, daß Sie zwar an meiner Person nichts auszusezen hätte, jedoch aber brauchte die Sache Ueberlegung; der Schritt denn ihre Tochter vor hätte wäre wichtig, und in Zeit etlichen Tagen wollte Sie mir eine Antwort wissen lassen. Meine Jungf. Braut und ich waren so fest miteinander verbunden, daß Niemand im Stande war, dieses Band aufzulösen. Ich machte sogleich Anstalt zur Inventur welche mir sehr viel Zeit wegnahm; meine liegenden und fahrenden Güther, und die übrigen Effekten waren in Zeit zwanzig Minuten in größter Ordnung. Auch machte ich daß ich den kommenden Sonntag Proklamirt wurde, und vierzehn Tage darauf [14. Nov. 1781] mit der Erb. und Ehrentgdr. Jungf. Maria Magdalena des Erb. Achtbar und Wohlgelehrten Joh. Leonhard Wagners, Schullehrers in der Wirthischen armen Kinderschule S. N. E. T. priesterlich kopuliert und eingesegnet wurde [ . . . ]

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