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Die Kindheit eines Jungens in Köln um 1810 (Rückblick)

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Kinder-Zeit.

Jubel über Jubel im Hause! Die Mutter hat aus dem »Cuniberts-Pütz« ein neues Brudermännche oder Schwestermädchen geholt, sich aber im Düsteren das Bein an den Pütz, den Brunnen, gestoßen, und muß krank das Bett hüten. Auch bei dem geringsten Bürger ist der Kindersegen ein Glück, jede Vermehrung desselben eine Freude, umsonst sagt der Kölner nicht: »Vill Kinder, vill Schnedde Brud, evver och vill Vater unser«! – Der Verwandtschaft und Bekanntschaft wird die Ankunft des neuen Kölners förmlich durch die Wartefrau angesagt. In den ersten Tagen wird sich nach dem Befinden der Wöchnerin und des Kindes erkundigt. Dann fangen die Besuche an, und mit denselben das Bewundern des Kindes, wie schwer es ist, wie stark. Ist es ein Knabe, ist er dem Vater, ist es ein Mädchen, ist es der Mutter »we ûs den Augen geschnedden«.

Der neue Weltbürger bringt immer den Geschwistern etwas mit: »Zuckerjods« [d. i. Zuckerzeug], Biskuit, Speculatius und ähnliche Kinderseligkeiten. Bei der Niederkunft wohlhabender Frauen werden auch die Kinder der nächsten Nachbarschaft erfreut mit den Herrlichkeiten, welche der Ankömmling in den Windeln mitgebracht hat.

Ein wichtiges Geschäft war die Wahl des Pathen und der Pathin, »Patt un Jot«. Selbst bei den besseren Classen das Ergebniß eines Familienrathes, blieb man hier auch gewöhnlich im Kreise der Familie. Die geringeren Classen betrachten die Pathenwahl als ein Speculations-Geschäft, sprachen reichere Bürger darum an, die Pathenstelle zu übernehmen. Der echte Kölner hielt es für eine Sünde, diese Bitte abzuschlagen, ließ man sich auch bei der Taufe durch einen Anderen, einen so genannten »Aaschjevatter« vertreten, das Pathengeschenk fehlt aber nie, und erheischen es die Umstände, vergißt der Pathe nie seine Pflicht, der Eltern Stellvertreter zu sein. Der allgemeinen Ansicht nach, nahm das Kind den Charakter seines Pathen an [ . . . ]

Beim wohlhabenden Bürger wurde die Taufe im Hause vollzogen, bei den geringeren Classen nach herkömmlichem Ritus in der Kirche. Die ersteren halten viel auf eine lange Reihe von Namen, fünf, sechs an der Zahl, unter denen, nach den Pfarren, einer stereotyp, so in der Dompfarre »Hubert« und »Hubertina«. Der kindliche Glaube ist der Ueberzeugung, daß derjenige, der diesen Namen führe, von keinem rasenden Hunde gebissen werden könne. Die ganze Sippe und die Frauen der Nachbarschaft waren zum Tauffeste gebeten, wo der Kaffee mit frischer »Raum« [d. i. Sahne] nie fehlen durfte, und als Kaffeekuchen noch viel weniger der »türkische Bund«, der hausbacken, die Bretzeln und die Anisschnittchen. Die Frauen der Nachbarschaft sorgten auch aufs gewissenhafteste dafür, daß armen »Kromfrauen« [d. i. Wöchnerinnen] nichts abging und richteten bei ihnen auch die Taufe ein. [ . . . ]

Vor Allem wurde der Säugling vor Luft und Wind gehütet, nur immer recht warm gehalten, besonders der Kopf, auf dem Tag und Nacht die eng anschließende Barchent- oder Cattun-Mütze, de »Ging« nicht fehlte, über die am Tage noch ein Zierhäubchen getragen wird. Grind, böse Augen waren die Folgen dieses Verpackungs-Systems. Viel, viel bedeutender war auch die Sterblichkeit unter den Kindern, als jetzt. [ . . . ]

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