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„Die Erziehung des lippischen Landsmanns” (1789)

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Bey Verhitzungen kann entweder durch einen kalten Trunk oder durch plötzliche Verkältung eine Stockung der Säfte in den kleinen Gefäßen und in den edelsten innern Theilen des Körpers entstehen, worauf dann Ruhren, Auszehrung und Schwindsucht, oder wie das Heer von Krankheiten sonst heißen mag, unmittelbar folgen.

Hauptsächlich meidet die Reizungen der Wollust und das Laster der Unkeuschheit, damit die Lebensgeister vor den Jahren nicht abnehmen und die schrecklichen Folgen der Selbstschwächung, wofür die Weisen des Volks immer mit wehmüthigen Ernst gewarnt haben; nemlich Trägheit, Trübsinn, Schwermuth, stumpfe Albernheit, Mangel des Gedächtnisses, Wahnwiz, Steifigkeit und Lähmung der Glieder, euch im Alter nicht treffen. Denn die meisten Uebel, die man im Alter duldet, kommen oft von Auschweifungen her, denen man sich in der Blüthe seiner Jahre überlassen hat.

Vom 21ten Jahre an kann der nunmehro erstärkte und abgehärtete Jüngling, die Dienste eines Großknechts übernehmen, muß 4 bis 8 Pferde füttern und Futter dafür schneiden, von Petri-Stuhlfeier bis zur Zeit wo der Pflug zu Felde geht, hilft er von Tagesanbruch an die Hecken schlüchtern, Wiepe und Sommerholz hauen und andere Arbeiten verrichten, die außerhalb dem Hause vorfallen. Bey der Feldarbeit muß er pflügen und säen, sowol bey der Sommer- als Wintersaatsbestellung, und dabey den Herrn-Spanndienst verrichten. In der Ernte mehet er vor, faßt das Korn auf den Wagen und fährt es in die Scheune. Von Wilbasen an muß er in der Ucht Futter schneiden, und bey Tagesanbruch die Feldarbeit vornehmen. Sobald die Wintersaatsbestellung geendigt ist, muß er in der Ucht dreschen helfen, und dann bey Tage Pferdefutter schneiden, dabey ein halb Stück Garn über den langen und 15 Bind über den kleinen Haspel spinnen. Wenn ein ganz Tagwerk gedroschen wird, muß er ebenfals dreschen helfen und dabey für die Pferde Futter schneiden, alsdann aber der Meier und der Schulte das Korn rein machen. Wenn nicht gedroschen wird, muß er beym Futterschneiden und Pferde futtern alle Tage ein Stück Garn über den langen Haspel oder 27 Gebind über den kleinen Haspel liefern, im Fall er aber den Pferdestall ausmistet, welches alle 8 Tage geschiehet, so ist er vom Zahlspinnen frey.

Der Meyer und Hausherr muß alle diese Arbeiten und Geschäfte beobachten, bey jeder Arbeit gegenwärtig seyn, jedes Geschäft vorerst in Bewegung bringen, das fehlende selbst ersetzen, hauptsächlich aber die Schneide- und Futterkammern fleißig untersuchen, und auf die Reinlichkeit der Krippen für alles Vieh genau sehen; zur Zeit der Feldarbeit beym Pflügen täglich nachsehen, ob der Pflug recht gekeilt ist (d. i. ob das lange Eisen, dieser Compas des Pflugs gehörig gerichtet ist.)

Außerdem ist eigentliches Geschäft für ihn, das futtern der Mästeschweine, wenn er keinen Schweinehirten hält, weil er nicht leicht einem andern den Schlüssel zur Kornbühne anvertrauen wird.

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