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„Die Erziehung des lippischen Landsmanns” (1789)

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Des Abends die Pferde hüten, im Herbste aber in der Ucht Flachs racken, im Winter die Pferde streuen, striegeln, Wasser tragen, das Schaufkorn, Stroh und Heu, vom Fourage-Boden werfen, und in die Schneide- oder Futterkammer bringen, auch Holz hauen, beym Dreschen entweder Wenden, und dabey, wenn er im Christenthum confirmirt ist, und nicht mehr zum Prediger geht, 15 bis 20 Gebind Garn über den langen Haspel oder 25 bis 30 Gebind über den kleinen Haspel spinnen; wenn aber nicht gedroschen wird 20 Bind d. i. ein Stück Garn über den langen oder anderthalb Stück über den kleinen Haspel, auch wenn er 17 Jahre alt wird 25 Gebind über den langen Haspel liefern. Er bekömmt nach der Gesindeordnung vom 6ten Febr. 1752 jährlich an Lohn 4 Rthlr. dabey nach dem Herkommen zu zwey Hemder das Mengellakenlinnen.

Nach erfolgter Bestätigung im Christenthum wird er gleich nach vollendeten 16ten Jahre enrollirt, und in die Conscriptionsliste eingetragen dabey von ihm nach der Landesherrlichen Verordnung vom 19ten Febr. 1765 an Eidesstatt feyerlich angelobt, daß er sein Vaterland nicht verlassen, ohne Urlaub und Paß nicht in andere Länder sich begeben, noch über die Zeit des Urlaubs ausbleiben wolle [ . . . ]

Vom 17ten bis ins 20te Jahr wird er Schulte, Kleinknecht, dieser muß im Sommer alle ungemessene Hofarbeit verrichten, die ihm Herr und Frau befehlen, und wozu der Pferdejunge und Grosknecht nicht gebraucht werden können. Er muß im Garten graben, Hecken schlüchtern und Wiepe (zur Bekleidung der Zäune) daraus verfertigen, Holz hauen, den Pflug halten, und in der Erndte mehen helfen.

Im Herbste von Wilbaser Kermis an und im Winter bis Petri Stuhlfeyer (22ten Febr.) in der Ucht dreschen helfen, des Abends die zu dreschende 4 Haufe Korn, vom Boden auf die Deel schaffen, dabey ein Stück Garn über den langen oder anderthalb Stück über den kleinen Haspel spinnen; wenn aber ein ganzes Tagwerk Korn 8 Haufe der Hauf zu 10 Schaufe gerechnet gedroschen wird, so spinnt er über den langen Haspel, ein halb Stück zu 10 Gebind, oder 13 Gebind über den kleinen Haspel, sogenanntes klein Garn.

Wird aber an einem Tage gar nicht gedroschen, so muß er anderthalb Stück über den langen oder zwey Stück Garn über den kleinen Haspel liefern. Um Petri Stuhlfeyer werden, wenn es die Witterung erlaubt, Hofarbeiten vorgenommen.

Dabey muß der Schulte Hecken schlüchtern, Wiepe hauen und auf die Zäune bringen: beym Anfahren des Schlag- und Schlüchterholzes für den Sommerbrand helfen. In der Frühjahrsbestell- und Brachzeit nehmlich in den Monaten April, May, Junius den Pflug halten, Erde aufladen helfen, in der Erndte mehen und das Korn aufstechen (mit der Forke dem Knecht auf den Wagen zu bringen.)

In diesem Zeitraum eures Lebens fangen zwar die Leibeskräfte an, merklich zuzunehmen, aber desto vorsichtiger müsset ihr bey dem Gebrauch derselben seyn, denn nie könnt ihr mehr in Gefahr kommen, eure Gesundheit zu zerrütten, als in eben diesem Zeitraume.

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