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Georg Wilhelm Friedrich Hegel, „Kritik der Verfassung Deutschlands”, unveröffentlichtes Manuskript (1800-1802)

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„Kritik der Verfassung Deutschlands“

Georg Wilhelm Friedrich Hegel


Deutschland ist kein Staat mehr. Die ältern Staatsrechtslehrer, welchen bey der Behandlung des deutschen Staatsrechts [ . . . ], von der deutschen Verfassung einen Begriff festzusetzen, konnten über diesen Begriff nicht einig werden, biß die neuern es aufgaben, ihn zu finden, [ . . . ]. Es ist kein Streit mehr darüber, unter welchen Begriff die deutsche Verfassung falle, was nicht mehr begriffen werden kann ist nicht mehr; sollte Deutschland ein Staat seyn, so könnte man diesen Zustand der Auflösung des Staats nicht anders als mit einem auswärtigen Staatsrechtsgelehrten Anarchie nennen; wenn nicht die Theile sich wieder zu Staaten constituirt hätten, denen weniger ein noch bestehendes als vielmehr die Erinnerung eines ehmaligen Bandes noch einen Schein von Vereinigung läßt; [ . . . ].

Die Gesundheit eines Staats offenbahrt sich im allgemeinen nicht sowohl in der Ruhe des Friedens als in der Bewegung des Kriegs; jene ist der Zustand des Genusses, und der Thätigkeit in Absonderung; die Regierung eine weise Hausväterlichkeit, die nur gewöhnliches an die Beherrschten fodert; im Kriege aber zeigt sich die Krafft des Zusammenhangs Aller mit dem Ganzen, wie viel von ihnen fodern zu können er sich eingerichtet hat, und wie viel das taugt, was aus eigenem Triebe und Gemüthe für ihn sie thun mögen. So hat in dem Kriege mit der französischen Republik Deutschland an sich die Erfahrung gemacht, wie es kein Staat mehr ist, [ . . . ] und dessen handgreiffliche Resultate sind der Verlust einiger der schönsten deutschen Länder, einiger Millionen seiner Bewohner [Frankreich hatte 1802 im Frieden von Luneville das linke Rheinufer annektiert], eine Schuldenlast [ . . . ] und daß [ . . . ]noch viele Staaten dasjenige verlieren werden, was ihr höchstes Gut ist, eigene Staaten zu seyn. [ . . . ]

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