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Die „Meynungen des Graffen Kaunitz über das auswärtige System” (24. März 1749)

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Das alte Systema ist nur gegen das Bourbonische, und so wenig gegen das Chur-Brandenburgische-Hauß gerichtet gewesen, daß solches vielmehr unter die dießseitige ersprießliche Neben-Alliirte gezehlet, und aufgenommen worden; Worinnen sich also ein essentialer Unterschied von den vorigen Zeiten äußert.

Daß auch der König von Preussen sich einen starcken Anhang in Engelland erworben, und von dieser Cron keine directe, und ernstliche Mitwürckung, um dem besagten König Schlesien wieder zu entreißen, anzuhoffen seye, bestärcken verschiedene bereits angezogene, und andere wichtige Betrachtungen. [ . . . ]

Allein nach Anleitung der nöthigen Prudenz, ist sich in keine Offensiv-Maaßnehmungen einzulassen, wann nicht die Hoffnung die Gefahr sehr überwieget, und so weit menschliche Beurtheilung zureichet, an einem glücklichen Ausschlag nicht zu zweifflen stehet; [ . . . ]. Dahero auch mit Preussen auf das neue allein anzubinden, nicht ein[mal] in dem Supposito, daß alle übrige Mächten sich nicht darein mischen, sondern hiebey stillsitzen würden, rathsam zu seyn scheinet; Indeme die Preußische Macht, der Kayser[lichen] Königl[ichen] wo nicht sehr überlegen, doch wenigstens vor gleich zu halten, und die Erschöpffung der Erb-Landen hiebey nicht in Vergeß zu stellen.

Es ist also meines wenigen Ermessens, nach Beschaffenheit der jetzigen Staats-Umständen in keinem Fall einige Möglichkeit, zu Ausführung der bemerckten großen Absichten, vorzusehen, es seye dann, daß die Cron Franckreich auf ein- oder die andere Art vermöget werden könnte, nicht nur denen dießseitigen Unternehmungen sich nicht zu wiedersetzen, sondern zu solchen directè, oder wenigstens indirecte die Hände zu biethen, und andurch den Ausschlag zu geben.

Ich bescheide mich hiebey von selbsten, daß, die Sache in bemerckte Weege einzuleiten, wegen der zu übersteigenden großen Schwierigkeiten, fast ohnmöglich anscheinen müße; Zumahlen Franckreich, wie bereits angemercket worden, so grossen, und essentialen Nutzen in der Erhaltung der jetzigen Königl[ich-] Preussischen Macht findet, auch für eine dießseitige Staats-maxime zu halten, daß sich beständig gegen jener Cron gewohnte Kunst-Griffe zu verwahren, und daß denen Frantzösischen Worten, und gut anscheinenden Besinnungen, bloß und allein in dem Fall zu trauen seye, wann jene mit ihrem wahren Interesse, als ihrem eintzigen politischen Grund-Gesätz übereinkommen.

Gleichwie aber dieses Suppositum sich nicht nur auf Euer Kayser[liche] Königl[iche] May[es]t[ä]t sondern zu gleich auf die Generalität, und alle übrige Mächten erstrecket; So kan auch hieraus mit aller Wahrscheinlichkeit der fernere Schluß gezogen werden, daß, wann Franckreich ein grösseres, und annehmlicheres Interesse bey dem Umsturtz, als bey Erhaltung des Königs in Preußen fände, alsdann auch jene Cron gar wohl zu vermögen seyn dürffte, sich so eyffrig für das Letzte anzuwenden, als es bishero das Erstere mit vieler Angelegenheit befördert.

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