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Die „Meynungen des Graffen Kaunitz über das auswärtige System” (24. März 1749)

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Die gröste Hoffnung, beruhet nach den dermahligen Umständen, auf Rußland; Sie ist aber für sich allein nicht zureichend, und der Gefahr der Veränderung unterworffen; Auch werden dem ernannten Hof die Nordische Unruhen, wann sie in würcklichen Krieg ausbrechen, ohnendem genugsame Beschäfftigung geben.

Es hat sich aber nicht nur die vorhienige Stärcke der Österreichischen Allianzen verminderet, sondern sich zugleich der Zustand, in Ansehung der besorglichen Feinden, ungemein verschlimmeret; Und da vormahlen die Lande nur auf Zwey Seiten der nahen Feindlichen Gefahr ausgesetzet waren; So sind sie es nunmehro durch die neue Angräntzung des Spanischen Printzen, D[on] Philipp, und des Königs in Preußen auf 4 Seiten, und sind wenigstens Drey von diesen Nachbarn vor sich allein, dem Durchläuchtigsten Ertzhauß an Macht nicht nur gleich, sondern auch zum Theil sehr überlegen; Daß auch der ernannte König in sehr bedencklicher Einverständnüß mit andern Höfen stehe, deßfalls ist bereits mehrere Erwehnung geschehen.

Nachdem also die dermahlige Staats-Umstände, sonder zweiffel von den vorhienigen sehr unterschieden, und sich in den weesentlichen Stücken gantz abgeändert haben; So scheinet mir, hieraus die natürliche Folge zu erwachsen, daß das sogenannte alte Systema, welches überhaupt in Vereinigung des Durchläuchtigsten Ertzhaußes, und der See-Mächten, gegen das Bourbonische Hauß bestanden, und zu seiner Zeit keiner gegründeten Ausstellung unterworffen war, vor dermahlen nicht mehr den gantzen Zusammenhang der Geschäfften in sich faße, noch als eine generale Regul und Richtschnur dienen, sondern nur nach Unterschied der Fällen, eingeschlagen werden könne.

Da nun die Frage zu beurtheilen: Was dann nach denen jetzigen Umständen, für ein Systema dem allerhöchtsten Dienst am gemäßesten seye? So wird für die erste, und haupt-Staats-maxime vorausgesetzet.

Daß, weilen der Verlust von Schlesien nicht zu verschmertzen, und der König in Preußen, als der gröste, gefährlichste, und unversöhnlichste Feind des Durchläuchtigsten Ertzhauses anzusehen; Also auch dießseits die erste, gröste, und beständige Sorgfalt dahin zu richten, wie sich nicht nur gegen des ernannten Königs feindliche Unternehmungen zu verwahren, und sicher zu stellen, sondern wie Er geschwächet, seine Übermacht beschräncket, und das Verlohrne wieder herbey gebracht werden könne.

Zufolg dieses letzteren Grund-Satzes, erfordert meine treueste Pflicht-Schuldigkeit, ohne Scheu, und Rückhalt mein weniges dafürhalten, ehrerbietigst zu eröffnen: Ob, und auf was für eine Art, die erwehnte große Absicht zu erreichen möglich; Und was dießfalls für Mittel einzuschlagen seyn?

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