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Politisches Testament Friedrichs II. („des Großen”)(1752)

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[Darauf skizziert Friedrich erneut die aktuellen Schwächen Preußens und prüft noch einmal „die Veränderungen, die sich in Europa ereignen könnten“, ein Kapital, das zum größten Teil bereits Erwähntes wiederholt, aber das Eingeständnis enthält, dass sein Gewissen „nicht unbeschwert gewesen ist, was sein Verhalten Maria Theresia gegenüber angeht.“ Er beendet das Kapitel mit dem folgenden Abschnitt:]

Vielleicht fragt ihr mich nun, was ich zu tun rate, wenn alle diese von mir vorausgesehenen Veränderungen eintreten. Ich bin nicht vermessen genug, euch Ratschläge für ferne und ungewisse Fälle zu geben. Es handelt sich da um viel zu unsichere Tatbestände, als daß ich euch genaue Verhaltensregeln vorschreiben könnte, die ihr tunlichst befolgen solltet. Ich lasse es dabei, zu wiederholen, was ich euch, mehr ins einzelne gehend, bereits gesagt habe: Verwaltet besonnen eure Finanzen, damit ihr Geld habt, wenn ihr welches braucht; verbündet euch nur mit denen, deren Interessen den euren haargenau gleichen; schließt niemals Verträge ab, die Maßnahmen betreffs fernliegender Geschehnisse erfordern; wartet ab, bis es soweit ist, Stellung zu beziehen, und handelt dann folgerichtig; hütet euch vor allem davor, auf die Zahl und die Ehrlichkeit eurer Verbündeten zu setzen; verlaßt euch nur auf euch selbst: dann werdet ihr euch nie verrechnen, und betrachtet eure Alliierten und eure Verträge nur als Notbehelfe. Bei Verträgen schadet die große Zahl eher, als daß sie hilft; schließt wenige ab, immer zur rechten Zeit und so, daß ihr bei geringstem Risiko nur größten Nutzen daraus zieht.

Die Politik der kleinen Fürsten ist ein Gewebe aus Lug und Trug; die Politik der großen enthält viel Klugheit, Verstellungskunst und Hang zum Ruhm. Ein großer Fehler für einen Staatsmann ist, wenn er sich immer betrügerisch verhält; er wird dann bald durchschaut und verachtet. Scharfsinnige Geister durchschauen eine gleichförmige Haltung, deshalb muß man, sooft man kann, seine Spielweise ändern, sie verheimlichen und sich in einen Proteus verwandeln, als der man bald lebhaft, bald langsam, bald kriegerisch und bald friedliebend erscheint. Auf diese Weise führt man seine Feinde in die Irre und macht sie vorsichtig in allem, was sie gegen einen vorhaben. Es ist nicht nur gut, unterschiedliches Verhalten zu zeigen; man muß es auch auf die Ereignisse, die Lage, in der man sich befindet, die Zeit, die Örtlichkeiten und auf die Personen, mit denen man zu tun hat, ausrichten. Droht euren Feinden niemals; Hunde, die bellen, beißen nicht. Zeigt bei euren Verhandlungen Verbindlichkeit; mildert eure Ausdrucksweise, die stolze wie die kränkende; seid nicht zu aufgebracht in kleinen Streitfällen; frönt nie eurer eigenen Ruhmsucht, tut alles im Interesse des Staates; seid verschwiegen in euren Geschäften; verbergt eure Pläne. Wenn die Ehre des Staates euch nötigt, zum Schwert zu greifen, dann gehe Blitz und Donner in einem auf eure Feinde nieder.

Verträge darf man nur aus wichtigen Gründen brechen. Genötigt könnt ihr dazu sein, wenn ihr fürchten müßt, daß eure Bündnispartner einen Separatfrieden schließen, und ihr die Mittel und die Zeit habt, ihnen zuvorzukommen; auch wenn Geldmangel euch hindert, den Krieg fortzuführen, oder schließlich wichtige Vorteile es euch als dringlich geboten erscheinen lassen. Schnelle Entschlüsse solcher Art kann man aber nur einmal, höchstens zweimal im Leben fassen, sie sind jedenfalls keine Auswege, zu denen man täglich Zuflucht nehmen darf.



Quelle: G.B. Volz, Hg., Politische Correspondenz. Ergänzungsband: Die politischen Testamente Friedrichs des Grossen. Berlin: Reimar Hobbing, 1920, S. 37-67. [Der Text erschient hier im französischen Original.]

Deutsche Übersetzung aus: Friedrich II. von Preußen, Schriften und Briefe, Übersetzung von Herbert Kühn. Leipzig: Verlag Philipp Reclam, 1985, S. 177-225.

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