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Politisches Testament Friedrichs II. („des Großen”)(1752)

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Nachdem Sachsen unterworfen ist, wäre es erforderlich, den Krieg nach Mähren hineinzutragen. Eine Entscheidungsschlacht in dieser Provinz würde die Tore von Olmütz und Brünn öffnen und den Krieg an die Hauptstadt herantragen. Im Lauf des Feldzuges täte man gut, 40 000 Mann in Sachsen auszuheben, gegen Hilfsgelder Truppen der Reichsfürsten in Dienst zu nehmen und sich so neue Streitkräfte zu verschaffen. Im folgenden Feldzug müßte man darum bemüht sein, Ungarn aufzuwiegeln. 20 000 Mann der neu Ausgehobenen könnten dann in Böhmen einfallen und würden ohne weiteres dieses von Verteidigern entblößte Land erobern. Falls in dieser Lage England gerade von einem trägen König regiert würde, brauchte man nicht an das Kurfürstentum Hannover zu denken; in dem Fall aber, daß es sich um einen kriegerischen Fürsten handelte, müßte Frankreich dazu gebracht werden, eine Diversion in das Kurfürstentum (durch Einsatz von Subsidientruppen) einzuleiten, was Preußen Ellbogenfreiheit verschaffen würde. Der Einfall in Hannover würde England zwingen, die Bedingungen anzunehmen, die Frankreich und seine Verbündeten stellen würden, und bei Friedensschluß würde Frankreich Flandern hinzuerwerben, Preußen würde der Königin von Ungarn Mähren zurückgeben und an den König von Polen Böhmen gegen Sachsen eintauschen.

Ich gestehe, daß sich ohne viel Glück dieses Projekt nicht wird verwirklichen lassen; wenn es einem aber fehlschlägt, erleidet man, vorausgesetzt, daß man seine geheime Absicht nicht offenbart hat, keinerlei Schande, und selbst wenn man ganz Sachsen nicht auf den ersten Schlag hin gewinnt, besteht die Gewißheit, daß sich leicht ein Teil davon herauslösen ließe. Die Hauptsache wäre, daß Rußland und die Königin von Ungarn einen Krieg gegen den Türken, Frankreich und den König von Sardinien durchzustehen hätten.

Die Provinz, die uns nach Sachsen am dienlichsten sein würde, wäre das Polnisch-Preußen. Es trennt Preußen von Pommern und verhindert den Schutz des ersteren durch die Schwierigkeiten, die die Weichsel dort bildet, und weil die Einfälle besorgt machen, die die Russen unter Benutzung des Danziger Hafens unternehmen könnten. Das wird euch noch mehr einleuchten, wenn ihr überlegt, daß das Königreich Preußen eigentlich nur von den Moskowitern angegriffen werden kann, daß diese, falls sie eine Landung in Danzig vornehmen, die preußische Armee von jeder Verbindung mit unserem Land abschnitten und daß man, falls diese Armee zum Rückzug gezwungen wäre, genötigt sein würde, ihr ein bedeutendes Korps entgegenzuschicken, um ihr den Übergang über die Weichsel zu erleichtern.

Ich glaube nicht, daß Waffengewalt das beste Mittel wäre, um diese Provinz für unser Königreich zu gewinnen, und bin versucht, euch zu wiederholen, was Victor Amadée, der König von Sardinien, zu Karl Emanuel gesagt hat: „Mein Sohn, Mailand muß man essen wie eine Artischocke, Blatt für Blatt.“ Polen ist ein Wahlkönigtum, beim Ableben eines Königs wird es jedesmal durch Parteikämpfe in Unruhe versetzt. Daraus muß man Nutzen ziehen und durch unsere Neutralität bald eine Stadt, bald ein anderes Gebiet gewinnen, bis man schließlich alles geschluckt hat.

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