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Wenzel Anton Kaunitz-Rietberg, „Allergnädigst anbefohlenes Gutachten über die Verbesserung des Systematis in internis” für Maria Theresia (14. April 1773)

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Da nun der Fleiß des Landmanns das wesentlichste Mittel ist, den Ackerbau als die erste Quelle des National Reichthums zu befordern, und da Staaten nur in so fern glücklich sind, in so fern sie von einer Menge fleissiger Bürger bewohnet werden, so ist auch die landesfürstliche Sorgfalt dahin zu richten, daß der Fleiß des Landmanns nicht ersticket, sondern immer mehrers angefrischet werde.

Nachdem aber solches durch nichts kräftiger geschehen kann, als wenn der Landmann einen guten und hinlänglichen Verschleiß seiner Natural Erzeigungen findet, so ist es auch eines der würksamsten Verbesserungs-Mittel, wenn in den Städten die Industrie durch Erhebung der Handwerker, Künsten, Fabriquen und Manufakturen empor gebracht, andurch vielen Menschen Nahrung, dem Landmann aber Gelegenheit verschaft wird, seine Natural Producten gut an Mann zu bringen.

In diesem Betracht ist die Industrie allerdings unter die würksamste Bereicherungs-Mittel zu zehlen, und wenn gleich bey dem pro und contra bestrittenen Satz nichts zu erinnern seyn sollte, daß die Massa der wahren Reichthümer nur durch die Natur, und nicht durch Industrie-Producten vermehret werde, da diese eigentlich kein neues Weßen hervorbringen, sondern nur auf die Vertauschung oder Verarbeitung und Umformung abzwecken und den Werth der rohen Materien, die man verarbeitet, wie auch den Werth der Natural Producten, welche die Fabrikanten während ihrer Arbeit verbrauchet haben, verschaffen, so ist doch so vieles keinem Zweifel unterworfen, daß ohne starke Consumption, ohne geschwinden Verschleiß und ohne gute Preise es schlechterdings ohnmöglich sey, den Ackerbau in seinen höchsten Flor zu bringen. [ . . . ]

Um aber das gute Commerce nicht nur empor zu bringen, sondern auch in seinem beständigen Flor zu erhalten, sind auf seiten des Landesfürsten keine gekünstelte, sondern überhaupt nur die folgende allgemeine und natürliche Mittel erforderlich, daß nämlich a) die Justiz ernstlich gehandhabet, b) die Freyheit des Volks und besonders des Handelsstands nicht über die Nothwendigkeit beschrenket, c) diesem Stande aller Schutz geleistet, d) der publique Credit sorgfältigst unterhalten und e) eine gute Polizey eingeführet und beobachtet werde. [ . . . ]

Eben so wenig kann ich vor dermalen in eine umständliche Ausführung eingehen, was für diensame Mittel und Wege einzuschlagen seyen, um zur Wohlfarth des ganzen Staats die Grundherren zu vermögen, daß sie ihren Unterthanen das Eigenthum der besitzenden Gründen überlassen, ihre meiste Meyerhöfe abschaffen, die Gründe gegen billige Zinnse denen Unterthanen zum Genuß übergeben und mit ihnen wegen Verwandlung der Robotten in Geld- oder Naturalien Abgaben ein billiges Abkommen treffen. [ . . . ]

2do Werden die Financiers selbsten nicht in Zweifel ziehen können, daß der freye Handel und Wandel einen Staat belebe und bereichere, daß aber selbigen nichts mehr als Zwang und gehäufte Verbotte entgegen stehen. Es ist also die Freyheit als die Regel und deren Beschränkung als die Ausnahm anzusehen, aber auch hierinnen haben wir die Exemption in die Regel verwandlet und die Verbotte so weit getrieben, daß die meiste Waaren darunter begriffen sind, ohngeachtet die wenigsten in den Erblanden verfertiget werden.

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