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Wenzel Anton Kaunitz-Rietberg, „Allergnädigst anbefohlenes Gutachten über die Verbesserung des Systematis in internis” für Maria Theresia (14. April 1773)

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Daß solches an sich möglich sey, läßt sich um so weniger wiedersprechen, da ganze Länder, wie Engeland, Holland p. zum Beweisthum dienen. [ . . . ]

Wir haben also an der Aufrechthaltung und Wohlfarth der Oesterreichischen Monarchie keinesweegs zu verzweifeln, und es werden wenig Länder zu finden seyn, welche sich so vieler Resourcen, als wir würklich haben, berühmen können, wobey es auch einzig und allein darauf ankommen will, daß wir selbsten diese Resourcen nicht verstopfen noch unnutz machen, sondern uns deren recht zu gebrauchen wissen. [ . . . ]

Daß eine gute Erziehung und Unterricht in der Denkensart, Neigung und Fähigkeit eine grosse Veränderung würken, das menschliche Herz bilden und sogar einen allgemeinen Nationalgeist hervor bringen können, bestättigen die Geschichten der ältesten Zeiten. [ . . . ]

Da nun die allgemeine Wohlfarth nicht besser und kräftiger als durch die vereinigte Bearbeitungen aller Glieder des Staats befördert werden kann, so ergiebet sich auch hieraus von selbsten, wie sehr der eigene Vortheil und die wesentliche Pflichten eines Landesfürsten erfordern, an der möglichen Verbesserung des allgemeinen Nationalgeistes mit dem lebhaftesten Eifer zu arbeiten und sich hierzu vorzüglich des Unterrichts und guten Erziehung aller Classen seines Volks zu bedienen.

Die Erfahrung setzet ausser Zweifel, daß in einem Lande, wo Unwissenheit und Dumheit herrschet, die innerliche Kräften sich nicht in einem so guten Stande befinden als sie sich befinden können, und daß hingegen die Cultur und Industrie sich in den Landen am meisten empor schwinge, in welchen die Unterthanen einen besseren Unterricht erhalten. [ . . . ]

Wie ich bereits mit wenigen angemerkt habe, so ist die Wohlfarth und das wesentliche Interesse des Landesfürsten und der Unterthanen auf das engeste miteinander verbunden; woraus also die fernere richtige Folge fliesset, daß jener sowohl zu Beobachtung seiner ihm au[f]liegenden Pflichten als um seiner eigenen Interessen willen alle diensame Mittel zu Beforderung des Wohlstands, guten Auskommen und Reichthums seiner Unterthanen sorgfältigst anzuwenden habe.

Es bestehen aber diese diensame Mittel überhaupt darinnen a) die Cultur, b) die Industrie und c) das Commercium, so viel es immer die Umstände verstatten, empor zu bringen und andurch den National Reichthum nebst der Population zu vermehren, als welche nach Maaß der guten Nahrung und der glücklichen Lebensart von selbsten anwachßet.

Unter der Cultur wird vorzüglich der Ackerbau nebst der Viehzucht begriffen, dann die Erde ist so zu sagen die Erzeugnus Mutter aller unserer Erfordernißen und Bequemlichkeiten, und um ein Land reich, mächtig und seine Einwohner glücklich zu machen, müssen alle Erdstriche und Grundstücke zur Hervorbringung der grösten möglichen Menge von Producten, die daraus gezogen werden können, benutzet werden.

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