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Erzherzog Joseph II., „Politische Tagträume” [Rêveries politiques] (1763)

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Ich glaube, daß für die Länder eine Kanzlei genügt, wenn diese sich darum bemüht. Bemüht sie sich nicht, so gestaltet man sie um. In bezug auf die Finanzen muß ich gestehen, daß der Wust von großen Worten, die man nicht versteht, aber deren Auswirkungen kein positives Ergebnis gezeigt haben, mich nicht von der guten Verfassung unserer Anordnungen überzeugt. Ich möchte annehmen, daß das Regiment der Zahlenschreiber, deren Unfehlbarkeit nicht bewiesen ist und denen man ehrfürchtig glauben muß, durch die Einrichtung eines Finanzressorts, in dem die drei anderen aufgingen, stark geschwächt würde. Ein Vorgesetzter, ein Kopf, aber dieser ausgezeichnet und mit allen Vollmachten ausgestattet, brächte die Dinge besser wieder in Ordnung als dieses ganze komplizierte Werk, das nur auf Bücherwissen beruht und dessen Anwendung seine Nichtigkeit zeigt. Ich bin kein großer Kenner von Finanzangelegenheiten, aber wenige Worte und große Wirkungen werden mich immer beeindrucken. Mit vier Geschäftsbereichen würde ich die Maschine leiten (außer Ungarn alle Länder eingeschlossen). Die Finanzen Italiens und der Niederlande können nach meiner Überzeugung nicht allein durch einen Kopf, der die Arbeit leistet, verwaltet werden, durch einen einzigen Minister, der, zu beschäftigt, die Angelegenheit nur einmal im Monat oberflächlich streifen kann, und die Herrscherin wäre darüber weniger informiert als über die Regierung von Frankreich. Ich glaube, daß für die politischen Aufgaben dieser beiden Länder eine Kanzlei nicht zu viel wäre.

Für die auswärtigen Angelegenheiten, vor allem für die Geheimhaltung, ist es meines Erachtens besser, einen Kopf von Geist, auf dessen Rechtschaffenheit man sich verlassen kann, agieren zu lassen, solange es eine wie diese zusammengesetzte Konferenz geben wird.

Für Ungarn ist die Kanzlei beizubehalten, aber sogar die Berichte aus Italien und den Niederlanden würden zum Staatsrat gelangen. Ich nähme an, daß man dafür arbeiten muß, dieses Land glücklich zu machen, bevor man auf vernünftige Weise etwas Zusätzliches von ihm verlangen kann. [ . . . ]

Man sagt, daß sich der Handel Ungarns nachteilig auf die Länder Österreichs auswirke, aber wenn Ungarn Beiträge wie diese leistete, woran ich für die nächste Zeit nicht zweifle, hätten wir damit Peru gefunden; zur Erlangung dieses Ziels darf man anläßlich des ersten Reichstages keinerlei Erhöhung verlangen, weil das wenige, was man erreichte, durch die Verbitterung der Gemüter die Anordnungen im Inneren verhinderte, und indem man eine Million gewänne, verlöre man die Möglichkeit, von sechs oder sieben in einigen Jahren zu profitieren.

Der Hochadel muß entweder durch Ehrenbezeugungen oder durch Furcht niedergehalten werden. Wird der niedere Adel gegen den Hochadel unterstützt und durch die Verleihung irgendwelcher Ämter, die sich der Herrscher vorbehalten soll, gewonnen, und verteidigt man die Untertanen gegen die tyrannische Herrschaft der Adeligen, indem jene die Möglichkeit erhalten, ihre Nahrungsmittel ohne Schwierigkeiten zu verkaufen, so wird man mein Ziel mit Leichtigkeit erreichen. [ . . . ]

2. Das Mittel, das ich vorschlagen werde, um den Staat augenblicklich wieder instand zu setzen, wird den nutzlosesten Elementen eines Gemeinwesens, nämlich denjenigen, die von ihrem Kapital leben, einen großen Schlag versetzen. Ich würde verkünden, daß man von jetzt an keinen höheren Zinssatz als drei Prozent zahlen werde, ohne Ausnahme irgendeiner Kasse oder irgendeines Schuldners, weil der Staat nicht in der Lage ist, damit fortzufahren, Schulden über Schulden zu machen. [ . . . ]

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