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Maria Theresias Politisches Testament (1749-50)

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Überhaupt war an denen fürgekehrten kaltsinnigen und lauen Defensionsveranstaltungen unschuldiger Weise der damalen von mir schon gefundene böhmische Obristcanzler Kinsky schuldig, welcher sich besonders zu Gemüt gezogen und bei mir geltend gemacht, weil solches nicht in Abrede zu stellen war, daß die Böhmen von denen Österreichern allezeit auf die Seiten gehalten worden; wie er dann auch mit Vernunft und Producierung vieler alten Schriften und Deductionen so viel mich eingenommen, daß ihn in das Ministerium wider aller und jeder Einraten gezogen, in der guten Intention, mich als eine wahre Mutter aller mir untergebenen Nationen zu zeigen.

Kaum war solches erfolget, so wollte die Vehemenz des Kinskyschen Temperaments sich in keinen Schranken mehr halten. Und obzwar anfangs diesfalls noch zu reussieren mir schmeichlete, so äußerte sich doch nachgehends, daß hierwegen alle meine Hoffnung umbsonst war, gestalten er öffentlich aus Praevention für seine Nation, der er nur allein zu favorisieren sich bemühete, folglich lediglich denen ihme anvertrauten Ländern das Wort redete, sich gegen alle übrige Erblande declarieret, eine ideale Proportion zwischen denen böhmisch und österreichischen Ländern vorschützend, um letztere mehr und erstere weniger zahlen zu machen.

Hierdurch entstunde zwischen Ministren, Hofleuten und Nationen eine ziemliche Spaltung, welche eben so bald nicht vermerkete und wie sie nachgehends schon so weit gekommen, weilen zu gut war, auch die damalige Umstände sehr hacklich, nicht standhaft genung unterbrochen, sondern nur Palliativa angewendet, so die Sachen noch mehrers verdorben haben. Dieses ist in der Tat der Anfang des Übels gewesen, dann, obzwar von der Ehrlichkeit und Treue des Kinsky Alles Gutes sagen muß, so ist jedoch auch gewiß, daß dessen Temperament, Vehemenz, Passiones und Patriotismus die wahren Quellen und Ursachen gewesen, die Alles verdorben und ihn Kinsky wider seinen Willen selbst verführet haben; anerwogen, da der Krieg in denen böhmischen Ländern eingefallen, er nicht zugeben wollte, daß allzu viele Truppen selbe überschwemmeten, allezeit in der Idee, daß man von Preußen noch wohl Meister werden könnte; zumalen der Marsch deren schwachen Regimentern, die an der türkisch- und siebenbürgischen Granitz gelegen, sehr langsam vor sich gienge, wie in gleichen die Vorsehungen in denen Ländern sehr kaltsinnig waren.

Die Umstände wurden immer betrüblicher und niemand aus dem Ministerio ware bedacht, mich und den Staat auch wegen der Entzweiung derer Länder aus diesen entsetzlichen Ambarras zu ziehen. Demnächst wurden alle Vorschläge, sobald sie denen Ländern nur zu einer wenigen Beschwernüs hätten gereichen können, von denenjenigen, so die Provincialaffären in Händen hatten, sogleich verworfen und ein jeder wollte vor das Seinige sorgen, worgegen mich damalen aus der mir annoch gebrochenen Kenntnüs zu opponieren nicht vermochte.

Khevenhüller und Neipperg wurden zu kommandierenden Generalen gegen die Preußen in Vorschlag gebracht, alleine ersterer begehrte viel Regimenter und gesicherte Gelder zu deren richtigen Bezahlung. Neipperg wurde von dem böhmischen obristen Kanzler, mithin von demjenigen portieret, so die Armee zu versorgen übernommen hatte, welcher mit Khevenhüllern gar nichts zu tun haben wollte. Ich resolvierte mich dahero zu letzterem umb so mehr als niemand seiner Kriegserfahrnüs was auszustellen wußte.

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