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Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt, Politisches Testament (4. Juni 1660)

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Bey seinem so hohen und wichtigen Ambt befleißige er sich der Nüchternheit. Dann das Heylige Wortt beschreibt Unß die glaubige Menschen, bey denen der Seegen Gottes geblieben ist, in nüchternem Wandel. Wer zum Wein Lust hat, würd nimmer weiß, kein Unweißer aber ist tüchtig zur Regirung. Und was kann doch ein Regent vor schrecklichen Jammer anrichten, wan er dem Trunck zu sehr ergeben ist: seiner Gemahlin und Kindern ihren besten zeitlichen Schatz benehmen, seine Geschwisterte ihres Trosts entsetzen, seine Kirchen, Schulen, Cantzley, angewandte Rhäte und Diener, Land und Leuthe ihres Vorstehers berauben, den gemeinen Nutzen seines Beschützers, sein aigen Vatterland des Vatters, ia auch sich selbst seines Lebens und fürstlichen Rhums priviren [berauben]. Es seind auch Exempel vorhanden, daß Gott, auß gerechtem Zorn, etwa von hohen Haubtern Hand abgethan, daß sie im Trunck gefallen und fast sichtbarlich in ihren Sünden dahin gefahren.

Vor Hurerey und Unzucht warnen Wir Unsere sambtliche gelibte Kinder, zumahl auch Unsern lieben Sohn und Lands Erben, den künfftigen Regenten, trewlich. Er selbst soll nicht allein vor seine Person keusch und züchtig sein, sondern auch im gantzen Land die Tugend der Keuschheit hägen und das Laster der Unzucht strafen, in christlicher Betrachtung, wie nach Außweißung geist- und weltlicher Historien gantz[e] Königreich, Fürstenthumb, Graf- und Herrschafften darüber zu Grund gangen, und daß fast kein Laster gefunden würd, dem Gott mit Wasser, Fewer, Hunger und Schwerd so grausam und schröcklich abgelohnt als eben die Sünde der Unzucht.

Die Röm: Kay: May: alß seine und aller Stände des Heyligen Reichs vorgesetzte Obrigkeit soll er in großen Ehren und Würden haben und sich gegen Ihre May: alles gebührlich[en] und schuldigen Gehorsambs in allen Dingen, die nicht wieder Gottes Ehr und Lehr, sodan die teutsche Libertät seind (dergleichen von Ihrer Kay: May: alß einem allerlöblichsten Kayßer und Oberhaubt doch gar nicht zu vermuthen), erweißen. Er, Unser Sohn und Lands Erb, soll sich billich fort und fort bearbeiten, bemühen und befleißigen, den Römischen Kayßer alß den Gesalbten des Herrn von gantzem Hertzen zu veneriren [verehren] und Gott Dank sagen, daß Seine Allmacht unser Vatterland teutscher Nation vor schädlicher anarchia behütet und Unß mit einem christlichen und verständigen Oberhaubt gesegnet hat. [ . . . ]

Mehrgemelter Unser Sohn und Successor soll iedermann gern dienen und sich bemühen, viel nützliches und guts außzurichten, einen ieden Tag vor verlohren halten, an dem er nichts rechtschaffenes außgerichtet, soll sich befleißigen, dem Vatterland eine Seule, unserm Hauß eine Ehr, allen Unsern fürstlichen Verwandten und Angehörigen ein Trost, ihm selbst eine Ruhe, den Rhäten und Dienern ein gütiger, frommer und erkandlicher Vatter, den Underthanen ein Cron und Schutz, männiglich ein Zuflucht zu sein.




Quelle: Politische Testamente und andere Quellen zum Fürstenethos der Frühen Neuzeit. Herausgegeben von Heinz Duchhardt. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1987, S. 43-76.

Abgedruckt in Helmut Neuhaus, Hg. Zeitalter des Absolutismus 1648-1789. Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung. Herausgegeben von Rainer A. Müller, Band 5. Stuttgart: P. Reclam, 1997, S. 192-96.

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