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Kaiser Joseph II. zur Struktur und politischen Lage der österreichischen Monarchie und des Heiligen Römischen Reiches (1767/68)

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Das kaiserliche Kammergericht bedurfte noch mehr der Reform als der Reichshofrat, und die Klagen der Stände über dieses Gericht, noch viel allgemeiner und viel gerechtfertigter, hatten schon S. Majestät den verstorbenen Kaiser veranlaßt, dem Reichstag eine Visitation derselben vorzuschlagen, da eine solche seit dem Westfälischen Frieden nicht mehr stattgefunden hatte, ausgenommen eine einzige und außerordentliche, die unter Kaiser Joseph I. begonnen und unter Karl VI. beendet wurde, ohne damit viel Erfolg gehabt zu haben. Man hat Hand an dieses heilsame Werk gelegt, sobald die Auseinandersetzungen, zu denen es im Reichstag durch die berüchtigte Angelegenheit von Osnabrück kam, und die dessen Tätigkeit vollständig lahmgelegt hatten, dies erlaubten. Ich habe zunächst viel guten Willen bei den Ständen gefunden, hierbei mitzuwirken. Diese selbst, deren Denkart äußerst doppelsinnig ist, zeigten dabei das größte Maß an Eifer, unsere Ansicht zu unterstützen. Die Sache wurde beschlossen. Die Deputierten der ersten Klasse wurden zusammengerufen und der Termin wurde bestimmt. Erst um die Zeit der Eröffnung dieser Versammlung entdeckte man die geheimen und gefährlichen Absichten der Protestanten, vor allem derjenigen unter ihnen, die sich die »korrespondierenden Höfe« nennen und eine sogenannte geheime Union bilden ziemlich ähnlich derjenigen, die teilweise zu Beginn des vorigen Jahrhunderts Anlaß zu dem blutigen Dreißigjährigen Krieg gegeben hat. Ihre Absicht war und scheint noch zu sein, sich einer Machenschaft zu bedienen, die ihrer Natur nach und durch die Klugheit der Gesetze dazu bestimmt ist, eine redliche, unparteiische und schnelle Verwaltung der Justiz wiederherzustellen und dadurch die kaiserliche Autorität wieder zu stärken. Ihre Absicht war, eben dieses Mittel, so sage ich, zu benutzen, um das Übel zu verschlimmern und um die Autorität tatsächlich zu zerstören oder wenigstens nach Kräften zu schwächen, die so notwendig zur Erhaltung eines Gerichtshofes ist, der für die Mehrheit unter ihnen den einzigen Schutz darstellt gegen die Unterdrückung von seiten einiger Mit-Stände, die zu mächtig sind, als daß man ihnen Widerpart leisten könnte. Seit der Eröffnung der Visitation arbeiten sie unablässig an diesem unvernünftigen Plan mit ebensoviel List wie Dreistigkeit. Die Minister von Sachsen, Bayern und der Pfalz sind am meisten starrköpfig und übelgesinnt. Der nächste Monat Mai dürfte hier eine Änderung bringen, da die zweite Klasse dann die erste abzulösen hätte. Doch das, obwohl auf die Gesetze gegründet, ist noch sehr umstritten, und es kann sein, daß diese neue Auseinandersetzung eine gute Gelegenheit abgeben wird, die ganze Visitation zu beenden, die viel Geld kostet, ohne etwas wert zu sein.

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