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Das Berlin-Ultimatum (27. November 1958)

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Wie man sieht, sind die bitteren Erfahrungen des blutigen Krieges für gewisse Staatsmänner der Westmächte umsonst gewesen, die wieder die berüchtigte München-Politik der Aufhetzung des deutschen Militarismus gegen die Sowjetunion, ihren jüngsten Waffengefährten, ans Licht zerren.

Es taucht die berechtigte Frage auf: können etwa die Inspiratoren der gegenwärtigen Deutschlandpolitik der Westmächte selbst garantieren, daß der von ihnen hochgezüchtete deutsche Militarismus nicht wieder seine jetzigen Partner überfällt, und daß das amerikanische, das englische und das französische Volk nicht mit ihrem Blut die Verletzung der Bündnisabkommen über die Entwicklung Deutschlands auf friedlichem und demokratischem Weg durch die Regierung der drei Westmächte bezahlen müssen? Kaum wird irgend jemand derartige Garantien geben können.

Die Politik der USA, Englands und Frankreichs gegenüber Westdeutschland hat dazu geführt, daß auch die auf Gewährleistung der Einheit Deutschlands als eines friedenliebenden und demokratischen Staats abzielenden Bestimmungen des Potsdamer Abkommens verletzt wurden. Und als in dem von den Truppen der drei Mächte okkupierten Westdeutschland separat ein Einzelstaat – die Bundesrepublik Deutschland – geschaffen wurde, blieb Ostdeutschland, wo die Kräfte ans Ruder kamen, die fest entschlossen sind, nicht zuzulassen, daß das deutsche Volk wieder in eine Katastrophe gestürzt wird, nichts anderes übrig, als seinerseits einen selbständigen Staat zu schaffen.

So sind in Deutschland zwei Staaten entstanden. Während in Westdeutschland, dessen Entwicklung von den USA, England und Frankreich gelenkt wurde, eine Regierung an die Macht gekommen ist, deren Vertreter aus ihrem Haß gegen die Sowjetunion kein Hehl machen und die Ähnlichkeit ihrer Bestrebungen mit den Plänen der Hitleraggressoren oft unumwunden affichieren, wurde in Ostdeutschland eine Regierung gebildet, die mit der aggressiven Vergangenheit Deutschlands unwiderruflich gebrochen hat. Das staatliche und gesellschaftliche Leben der Deutschen Demokratischen Republik wird durch eine Verfassung geregelt, die vollkommen den Prinzipien des Potsdamer Abkommens und den besten fortschrittlichen Traditionen der deutschen Nation entspricht. In der DDR wurden die Monopole und Junker ein für allemal entmachtet, der Nazismus ausgerottet und verschiedene andere soziale und ökonomische Umgestaltungen vorgenommen, die einer Wiedergeburt des Militarismus den Boden entzogen und die DDR in einen wichtigen Faktor des Friedens in Europa verwandelt haben. Die Regierung der DDR hat feierlich verkündet, daß sie die sich für sie aus dem Potsdamer Abkommen ergebenden Verpflichtungen strikt einhalten wird, was, nebenbei bemerkt, die Bundesregierung hartnäckig zu tun vermeidet.

Die Eingliederung der Bundesrepublik Deutschland in den Nordatlantikblock stellte die Sowjetunion vor die Notwendigkeit, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, da die Verpflichtungen, die die Sowjetunion, die USA, Großbritannien und Frankreich verbanden, durch die drei Westmächte zerrissen wurden, die sich mit Westdeutschland und noch früher mit Italien gegen die Sowjetunion vereinigten, die die Hauptlast des Kampfes gegen die faschistischen Aggressoren getragen hatte. Die exklusive militärische Gruppierung schuf in gleichem Maß auch für andere Länder eine Gefahr. Diese Situation nötigte die Sowjetunion sowie eine Reihe anderer europäischer Länder, die unter der Aggression des deutschen und des italienischen Faschismus gelitten haben, eine eigene Verteidigungsorganisation zu gründen und zu diesem Zweck den Warschauer Vertrag zu schließen, dem auch die DDR beitrat.

Faßt man das oben Gesagte zusammen, so läßt sich nur eine Schlußfolgerung ziehen: das Potsdamer Abkommen ist von den Westmächten grob verletzt worden. Es gleicht dem Stamm eines Baums, der, einst mächtig und fruchtbar, nun angesägt und darüber hinaus seines Herzstücks beraubt ist. Die hohen Ziele, um derentwillen das Potsdamer Abkommen geschlossen worden war, sind von den Westmächten schon lange abgelehnt worden, und ihre praktische Tätigkeit in Deutschland ist direkt entgegengesetzt der im Potsdamer Abkommen vorgesehenen Tätigkeit. Die Sache ist natürlich nicht die, daß die Gesellschafts- und die Staatsordnung der DDR und der Bundesrepublik nach verschiedenen Grundsätzen organisiert ist. Die Sowjetregierung ist der Meinung, daß eine Entscheidung über die Frage der sozialen Struktur der beiden deutschen Staaten Sache der Deutschen selbst ist. Die Sowjetunion steht auf dem Boden der absoluten Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten des deutschen Volkes wie auch jedes anderen Volkes. Doch die Bewegung der DDR zum Sozialismus hat bei der Bundesregierung eine mißgünstige, zutiefst feindselige Einstellung zur DDR hervorgerufen, und das findet volle Unterstützung und Förderung seitens der zur NATO gehörenden Staaten und insbesondere der USA.

Von den Westmächten angespornt, entfacht die Bundesregierung systematisch den «kalten Krieg», und ihre Führer gaben wiederholt Erklärungen ab, daß die Bundesrepublik eine «Politik der Stärke» durchführen werde, d. h. eine Politik des Diktats gegenüber dem anderen deutschen Staat. Also wünscht die Bundesregierung keine friedliche Vereinigung des deutschen Volkes, das in zwei Staaten mit verschiedener sozialer Basis lebt, sondern sie schmiedet Pläne zur Liquidierung der DDR und zur Verstärkung des eigenen militaristischen Staats auf Kosten der DDR.

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