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Der Theologe Richard Schröder ruft zu einem demokratischen Patriotismus auf (1993)

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Aber wer genau gehört nun zu dieser Gemeinschaft, wer ist Deutscher? Die exakte Antwort muß lauten: Wer die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. Sie wird entweder durch Geburt erworben oder unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag verliehen. Mit Haarfarbe, Hautfarbe oder Rasse hat das nichts zu tun – darf das nie wieder etwas zu tun haben, und auch nicht, wie in der DDR, mit einer verordneten Weltanschauung, sondern allein mit Rechten und Pflichten und, allerdings, mit dem erklärten Willen, zu dieser Gemeinschaft zu gehören. Derjenige, dem die Staatsbürgerschaft verliehen wird, tritt dann mitsamt seiner andersgearteten Herkunft, Kultur oder auch Religion in unsere Gemeinschaft ein. Das ist doch gerade für uns im Osten Deutschlands überhaupt nichts Neues. Nach Brandenburg sind seinerzeit Holländer, Franzosen, Böhmen eingewandert. Brandenburg hat davon profitiert. Die Sorben, die ihre slawische Kultur und Sprache bewahrt haben, sind ohne alle Einschränkung deutsche Staatsbürger und wollen gar nichts anderes sein. Und ich erinnere an die deutschen Juden, die so wichtige Beiträge zur deutschen Kultur und Wissenschaft geleistet haben.

Dann gibt es noch diejenigen, mit denen wir die Sprache und Kultur, aber nicht das Vaterland teilen, ich meine die Deutschstämmigen etwa in Rumänien oder in der ehemaligen Sowjetunion. Sie sind nicht deutsche Staatsbürger und nicht unsere Mitbürger, aber sie stehen uns näher als andere im Ausland.

Und schließlich gibt es die Ausländer, die unter uns wohnen, also zwar unsere Mitbürger sind, aber keine deutschen Staatsbürger. Auch mit ihnen sind wir verbunden durch klar benannte Rechte und Pflichten.

Wir kommen in Teufels Küche, wenn wir auf diesem komplizierten Gebiet mit der Brechstange arbeiten und falsche Alternativen aufrichten. Es hat beides sein Recht und seinen Platz: Deutschland als Vaterland, durch seine Geschichte und Kultur charakterisiert, und Deutschland als Staat, der seinen Staatsbürgern ohne Ansehen der Person die gleichen Rechte garantiert und die gleichen Pflichten auferlegt, oder: der Kulturbegriff Deutschland (Kulturnation) und der Rechtsbegriff Deutschland (Staatsnation). Für unseren Umgang miteinander muß der Rechtsbegriff an erster Stelle stehen.

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