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Analyse des amerikanischen Außenministeriums zur sowjetischen Berlin-Note (7. Januar 1959)

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Die sowjetische Note wirft den Westmächten vor, die hier unter (2) genannten Reparationslieferungen nicht eingehalten zu haben, verschweigt jedoch, daß die Westmächte diese Lieferungen erst einstellten, nachdem die Sowjetunion gegen Punkt (3) und (4) verstoßen und ihre Verpflichtungen nach (2a) verletzt hatte. Darüber hinaus wurde klargestellt, daß es sich nur um einen vorübergehenden Lieferstop handeln sollte, der so lange andauern würde, bis die UdSSR willens wäre, das Potsdamer Abkommen als Ganzes zu erfüllen. Da die UdSSR dazu nie bereit war, wurden die eingestellten Lieferungen auch nie wieder aufgenommen.

Die UdSSR wünschte von Deutschland Reparationsleistungen im Wert von 10 Milliarden Dollar. Sie hatte diesen Betrag auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 verlangt. Ihr Vorschlag wurde aber von den USA und Großbritannien weder in Jalta, noch danach akzeptiert. Gleichwohl verhielt sich die UdSSR bei der Beitreibung der Reparationen so, als ob man sich über diesen Betrag geeinigt hätte, trotz der klaren Feststellung des Potsdamer Protokolls, daß in bezug auf die Reparationen noch eine «gemeinsame Politik» festzulegen sei.

Deutschland war zur Zeit der Potsdamer Konferenz wirtschaftlich ein Zuschußgebiet, das umfangreiche Importe benötigte, um seine Wirtschaft wenigstens auf einem Mindeststand zu halten. Aus diesem Grunde bestanden die Westmächte darauf, jene Bestimmungen in das Potsdamer Protokoll aufzunehmen, daß die Bezahlung von Reparationen dem deutschen Volk genügend Hilfsquellen belassen solle, um ohne Hilfe von außen zu existieren, daß für die notwendigen Mittel zur Bezahlung der notwendigen Importe Vorsorge getroffen werden müsse und daß die Einnahmen aus der laufenden Produktion und den Warenbeständen in erster Linie für die Bezahlung derartiger Importe zur Verfügung stehen sollten. Mit anderen Worten sollte also der Ertrag aus der laufenden Produktion nicht für Reparationen verwendet werden, wenn er zur Bezahlung der notwendigen Importe gebraucht wurde. In Verletzung dieser Abkommen zogen die Sowjetbehörden umfangreiche Reparationsleistungen aus der laufenden Produktion der sowjetischen Besatzungszone und weigerten sich, über diese Entnahmen aus Ostdeutschland Rechenschaft abzulegen.

Infolge der geschilderten sowjetischen Verletzungen des Protokolls von Potsdam und der sowjetischen Weigerung, Deutschland als eine wirtschaftliche Einheit zu behandeln (so daß die Hilfsquellen ihrer Zone der gesamtdeutschen Wirtschaft zur Verfügung gestanden hätten), mußten die USA und Großbritannien ihre Zonen in Deutschland finanziell unterstützen, um das Wirtschaftsminimum aufrechtzuerhalten. Ein Jahr nach der Potsdamer Konferenz berichtete der amerikanische Militärgouverneur in Deutschland:

Die US-Zone ist von jeher auf Kohle und Stahl aus der britischen Zone, auf Nahrungsmittel und Saatgut aus der sowjetischen Zone, auf Düngemittel und Weißblech aus der französischen Zone angewiesen. Die USA geben heute vielleicht 200 Millionen Dollar im Jahr – über eine halbe Million Dollar pro Tag – aus, um Hunger, Krankheit und Unruhen in der US-Zone zu verhüten. Ohne freien Handel mit anderen Teilen Deutschlands und ohne ein gemeinsames Exportprogramm kann sich die US-Zone nicht aus eigener Kraft versorgen.

In Wirklichkeit gestatteten die Vereinigten Staaten dadurch, daß sie Reparationen an die Sowjetunion lieferten und gleichzeitig ihre eigene Zone unterstützten, um die durch sowjetische Verletzungen des Potsdamer Protokolls verursachten Lücken zu schließen, der UdSSR, Reparationen von den USA statt von Deutschland zu beziehen. Angesichts dieses Sachverhalts suspendierten die USA die Reparationslieferungen aus der US-Zone an die UdSSR so lange, bis die Sowjetunion gewillt wäre, das Protokoll von Potsdam als Ganzes zu erfüllen.

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