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Analyse des amerikanischen Außenministeriums zur sowjetischen Berlin-Note (7. Januar 1959)

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In einer Stellungnahme zum Fortgang des Krieges erklärte Molotov am 29. März 1940:
Deutschland [ . . . ] ist offensichtlich zu einem gefährlichen Konkurrenten für die stärksten imperialistischen Mächte Europas geworden – für Großbritannien und Frankreich. Sie haben deshalb unter dem Vorwande der Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber Polen Deutschland den Krieg erklärt. Es liegt heute klarer denn je zu Tage, wie weit die wirklichen Ziele der Regierungen dieser Mächte von der Absicht entfernt sind, das zerfallene Polen oder die Tschechoslowakei zu verteidigen. Dieser Krieg wird geführt, um Deutschland zu schlagen und zu zerstückeln, obwohl man dieses Ziel gegenüber den Volksmassen mit den Losungen von der Verteidigung der «Demokratien» und der «Rechte» der kleinen Völker bemäntelt.
Da die Sowjetunion es ablehnte, England und Frankreich Handlangerdienste bei dieser imperialistischen Politik gegenüber Deutschland zu leisten, hat sich ihre Feindseligkeit gegen die Sowjetunion noch weiter verschärft [ . . . ] In der Tat sind die Rechte und Interessen der kleinen Länder lediglich Wechselgeld in den Händen der Imperialisten.

Die UdSSR fiel im Dezember 1939 über Finnland her. Im Juni 1940 folgten sowjetische Maßnahmen gegen Litauen, Lettland und Estland. Bessarabien und die Nordbukowina wurden in demselben Monat Rumänien entrissen.

Die Sowjetunion schloß auch eine ganze Reihe von Wirtschaftsabkommen mit Deutschland. Zwischen 1922 und 1933 unterzeichneten die Sowjetunion und Deutschland sechs Kredit- und Handelsabkommen, während die Sowjetunion in der Zeit von 1933 bis 1941, als Hitler seine Kriegsvorbereitungen vorantrieb bzw. schon eine aktive Aggressionspolitik durchführte, nochmals zwölf Kredit- und Handelsabkommen mit dem Naziregime einging.

Über diese Handelsabkommen mit Deutschland sagte Molotov am 31. Mai 1939:

Während wir einerseits mit England und Frankreich verhandeln, halten wir es andererseits keineswegs für notwendig, auf Geschäftsbeziehungen mit Ländern wie Deutschland und Italien zu verzichten.

Die eigene Schrittmacherrolle beim Aufstiege Hitlers ignorierend, beschuldigt die Sowjetregierung jetzt die Vereinigten Staaten, ihn protegiert zu haben. Im russischen «Enzyklopädischen Wörterbuch», Band 3 (1955), heißt es:

Die Imperialisten der Vereinigten Staaten begünstigten die Hitleristen bei der Machtergreifung in Deutschland (1933) und leisteten der deutsch-italienischen Intervention gegen die Spanische Republik (1936–1939), der italienischen Aggression gegen Äthiopien (1935–1936) und der Einverleibung Österreichs durch Hitlerdeutschland (1938) Vorschub. Sie wirkten beim Abschluß des schändlichen Münchner Abkommens (1938) mit und ermutigten Japan zur Aggression in China. Die Vereinigten Staaten betrieben eine Politik der Einwilligung in die faschistische Aggression mit der Absicht, diese auf die UdSSR zu lenken. Die Politik der Vereinigten Staaten trug zur Entfesselung des zweiten Weltkrieges von 1939 bis 1945 bei. (Seiten 254 bis 255)

Diese Darstellung ist das genaue Gegenteil der Auffassung, die die Sowjetunion zur Zeit der Geschehnisse selbst vertrat. In der «Kleinen Sowjetenzyklopädie» von 1941, Band 9, heißt es:

Von Anfang an bezog Roosevelt eine eindeutig ablehnende Haltung gegenüber Hitlerdeutschland und anderen faschistischen Mächten. (Seite 240)
Von Anbeginn des Krieges in Europa (September 1939) erklärten die Vereinigten Staaten offiziell ihre Neutralität, doch weigerte sich die Regierung, die deutsche Aggression in Europa sowie die japanische Aggression in China als gegeben hinzunehmen. (Seite 901)

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