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Der Verein deutscher Studenten: Leipziger Studenten gedenken der ersten zehn Jahre (1881-1891)

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Arndt und vor allem seines gewaltigen Vortrags über die vaterländische Bedeutung von Goethes Faust bei seinem Erscheinen inmitten der Zeit Napoleonischer Fremdherrschaft. Ich gedenke des Schriftstellers Hans von Wolzogen, der uns Richard Wagner als großen Künder deutschen Wesens nahe brachte. Ich gedenke des alten, an einer Kriegsverwundung lahmenden Recken Fedor von Köppen, der, ein Sänger und ein Held zugleich, durch den rhetorischen Schwung und das ehrliche Pathos seiner vaterländischen Dichtungen uns Junge hinriß und auch als Festredner ein begeisterter Herold des deutschen Gedankens war. Dabei war er der seßhafteste, fröhlichste Zechkumpan, mit dem so leicht kein anderer stichhielt. Aber nicht in Reden und Festen erschöpfte sich das Wesen des V. D. St. Wollte er mit Recht die Führerschaft der nationalen Studentenschaft beanspruchen, so mußte er Taten zeigen. Dazu gaben ihm Gelegenheit die Ausschußwahlen für die akademische Lesehalle. In welcher Richtung diese geleitet und mit geistigem Stoff versorgt wurde, war für die Stellungnahme der Studentenschaft in nationalen Fragen von großem Gewicht; von ihr aus fluteten Ströme starker Beeinflussung in die Seelen der Studenten. So schieden sich hier am deutlichsten die Geister, und ein erbitterter Kampf entspann sich um diese Position, deren Behauptung man auf beiden Seiten ausschlaggebende Bedeutung beimaß. Mit fieberhafter Spannung und Erwartung verfolgte man den Kampf, auf dessen Schauplatz sich die schlagfertigsten Fechter beider Parteien gegenübertraten. Hier seien unsere Vorkämpfer genannt. In Hoeres und Rosenhagen hatten wir vornehme, umsichtige und gewandte Führer; ihnen zur Seite traten die schon erwähnten Burkhardt und Troebst, die rednerisch eine scharfe Klinge schlugen. Auch zeichnete sich schon damals, wenn meine Erinnerung mich nicht täuscht, Freiherr von Zedlitz aus, den ich am 70ten Geburtstag Bismarcks am 1. April 1885 auf dem ewig denkwürdigen Frühschoppen beim Reichskanzler als einen der glücklichsten Sprecher unserer großen gemeinsamen Studentendeputation aller Universitäten wieder treffen sollte. Noch eine bemerkenswerte Persönlichkeit war der Elsässer Schweitzer, der schon in seiner Heimatuniversität Straßburg die noch vielumstrittene Fahne des Deutschtums unter den Studenten vorangetragen hatte und nun in Leipzig durch seine markigen Reden bei großen akademischen Anlässen als lebendiger Beweis des alten Deutschtums der wiedergewonnenen Grenzmark wirkte. Und welch ein Jubel brach aus, als wir am 12. November 1882 über die vorzugsweise von Juden geführte Gegenpartei einen glänzenden Sieg davontrugen und als unsere Vertreter Walter Burkhardt und Bauer in den Ausschuß gewählt wurden. Von dem Siegesfest, das der V. D. St. nun veranstaltete, ist mir ein eigenes Poem in den Händen geblieben, das nach meinem heutigen Geschmack zwar etwas derb ist, aber doch so frisch in die damaligen Ereignisse und die von ihnen erzeugte Stimmung einführt, daß es mitgeteilt sein möge.




Quelle: Teil I: Dr. R.P. Oßwald, „Hundert Semester Verein Deutscher Studenten zu Leipzig“, in DStv! 50 Jahre Verein Deutscher Studenten zu Leipzig 1881-1931. Leipzig: Verlag des A.H.-Bundes des V. Dt. St. Leipzig e.V., n.d. [ca. 1931], S. 3-13.

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