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Der Verein deutscher Studenten: Leipziger Studenten gedenken der ersten zehn Jahre (1881-1891)

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Von der bloßen Negation, wie sie in dem Anstoß durch die antisemitische Bewegung gelegen war, waren die jungen Studenten sofort zu positiven Zielen vorgeschritten, wie die Feier des 18. Januar und ihr Bekenntnis zu Bismarck deutlich bewiesen. Diesem Umstand verdankten sie auch das volle Einvernehmen mit der Professorenschaft der Universität. In dem ersten Sommersemester war die Seele des Vereins Diederich Hahn, aus friesisch-hannöverschem Blute, der schon mit 18 Jahren seiner Militärpflicht genügt hatte und jetzt mit 20 Jahren im vierten Semester stand. Dem neuen Verein traten Mitglieder aller Fakultäten bei, überwiegend Juristen und Historiker, bald in besonders starker Zahl auch Theologen, unter denen der christlich-soziale Friedrich Naumann hervorragte. Deutsch-Russen, besonders Kurländer, hielten sich ebenso wie die Schleswig-Holsteiner eng zu dem Verein, dessen Stärke im ersten Sommersemester 116 Mitglieder betrug. Nach außen hin trat dieser am 15. Mai bei der Lesehallenwahl auf, wo er seine Kandidaten durchbrachte. Am 17. Juni veranstaltete er auf Anregung von Hahn und Naumann seinen ersten Akademischen Vortragsabend mit Hofprediger Stöcker als Redner, der vor mehr als tausend Studenten über das Thema: „Große Zeiten, große Aufgaben“ sprach. Als die Ausschreitungen der Tschechen gegen die deutschen Studenten in Prag bekannt wurden, berief der Verein eine allgemeine Studentenversammlung unter der Leitung von Hahn, der darauf hinwies, daß Leipzig als Tochteruniversität von Prag den dortigen Vorgängen doppelte Anteilnahme widmen müsse. Das völkische Gemeinschaftsbewußtsein mit den im damaligen Oesterreich lebenden Deutschen war somit auch von Anfang an ein Bestandteil der Gedanken- und Gefühlswelt des Leipziger V. D. St. Auf dem Schlußkommers am 1. August 1881 sprach Hahn von den Idealen der studierenden Jugend: „Sie heißen Deutschtum und Christentum. Sie sind die starken Wurzeln unserer Kraft.“ Auf das Begrüßungstelegramm dieses Tages drahtete Bismarck die anfeuernden Worte, die im Eingang dieses Aufsatzes erwähnt worden sind.

So stehen im Geburtsjahr des V. D. St. Leipzig seine Ziele und Aufgaben deutlich vor uns: Das Deutsche Reich und darüber hinaus die Verbundenheit mit dem deutschen Volkstum jenseits der Grenzen im Osten und im Süden, Deutschtum ohne staatliche Grenzen, Christentum als innerster Hort und die Soziale Frage als Aufgabe, von deren Erkenntnis und Lösung das Wohl der Deutschen der Zukunft beeinflußt wird.

Hahn hatte seine Hauptkraft auf die Vorbereitung des ersten Kyffhäuserfestes gerichtet, welches ein voller Erfolg wurde und eine neue Zeit in der Geschichte der Deutschen Studentenschaft einleitete. Es fand vom 6.–9. August 1881 statt. Aus allen deutschen Universitäten war man herbeigeströmt. Ein Zug von 800 Festteilnehmern bewegte sich unter Vorantritt der vollzähligen Musikkapelle des 134. Infanterie-Regimentes von dem Städtchen Roßla hinauf zum Kyffhäuser. Es war eine noch stärkere Beteiligung als 1817 auf der Wartburg, wo sich 468 Teilnehmer eingefunden hatten. Diederich Hahn begrüßte oben an der alten Burgruine die Festversammlung, die schlichte schwarz-weiß-rote Fahne mit der Linken auf den Boden stemmend, in der Rechten den blitzenden Schläger. Diese alte Kyffhäuserfahne mit ihrem einfachen Fahnentuch ohne Schmuck und Stickerei, an dem rohen schwarzgestrichenen Fahnenholz mit der Holzspitze, mit Goldbronze überzogen – so recht das Wahrzeichen der schlichten Größe und des ernsten Wollens der Gründer unseres Verbandes – wird als heiliges Symbol des in der Studentenschaft neu erwachten Nationalbewußtseins im V. D. St. Leipzig aufbewahrt und zu jeder V. T. vorangetragen. Am 8. August schlossen die offiziellen Vertreter der Vereine Deutscher Studenten unter der Leitung von Hahn auf der Rothenburg ein Kartell. Der Kyffhäuserverband der Vereine Deutscher Studenten war erstanden.

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