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Der Verein deutscher Studenten: Leipziger Studenten gedenken der ersten zehn Jahre (1881-1891)

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Von den vier ersten Vereinen Deutscher Studenten, die im Jahre 1881 ins Leben traten – Berlin, Halle, Leipzig und Breslau – hat Leipzig allein den Vorzug gehabt, sofort von der akademischen Obrigkeit anerkannt zu werden, da der damalige Rektor Prof. Luthardt und mit ihm fast der gesamte Lehrkörper sich der neuen Bewegung ausdrücklich annahmen. Wie in den anderen Universitätsstädten, so hatten auch in Leipzig z. T. ältere Studenten, in deren Studienzeit noch die Attentate auf Kaiser Wilhelm I. im Sommer 1878 fielen, die Führung in der neuen Bewegung. Seit jenen Tagen war das Gefühl immer mehr durchgebrochen, daß die errungenen nationalen Güter in Gefahr standen, zu verkümmern, und daß die Studentenschaft die Pflicht habe, sich schon während der Studienzeit über die ihr später erwachsenden Aufgaben im öffentlichen Leben klar zu werden. Es entstand eine ganz neue Bewegung in der Studentenschaft, welche Korporationen und Finken zu einigen verstand. Mit einem gewissen Recht ist Bismarck als der geistige Urheber dieser Bewegung genannt worden, insofern die von ihm ausgehenden Gedanken der inneren und äußeren Festigung des neuen Reiches der neuen akademischen Strömung ihren wesentlichen Inhalt gaben. In schöner Weise hat unser Bundesbruder Hermann v. Petersdorff in seinem 1895 erschienenen Buche „Die Vereine Deutscher Studenten, 12 Jahre akademischer Kämpfe“, die Gründungszeit auf dem Hintergrunde der allgemeinen Geschichte geschildert, welche Darstellung jedem Bundesbruder wärmstens empfohlen wird.

Die Ursache der Bewegung war der nationale Gedanke. Den äußeren Anstoß gab die sogenannte Notabelnerklärung vom 12. November 1880, die, von 73 [sic] bekannten Berliner Bürgern unterschrieben, sich gegen die vornehmlich in der Reichshauptstadt in Fluß gekommene judenfeindliche Bewegung, besonders gegen den von Dr. Bernhard Foerster angeregten Gedanken eines Massengesuches an den Reichskanzler gegen die Juden richtete. Die Notabelnerklärung teilte die gebildete Welt Deutschlands in zwei Lager. Zwei Tage nach ihrem Erscheinen gab die Wahl des Vorstandes der Akademischen Lesehalle in Leipzig am 14. November 1880 Gelegenheit zur Besprechung der gleichfühlenden Studenten, und am nächsten Tage wurde ein Ausschuß von 12 Mitgliedern ernannt, der für die von dem Studenten Dulon dem Foersterschen Gesuch angefügte studentische Petition werben sollte. Der Ausschuß berief für den 22. November 1880 eine Studentenversammlung in Trietschlers Saal. Dies war der erste Anstoß zu der Bewegung in Leipzig, die bis zum 25. Dezember über 1000 Unterschriften unter die Petition erreichte. Neben Dulon wirkten vor allem der Bonner inaktive Korpsstudent Falcke und die späteren V. D. St.er theol. v. Langsdorff, iur. v. Heyden, hist. Wilhelm Grotesend, hist. Hans Groddeck und besonders hist. Christian Diederich Hahn, der in der Versammlung vom 22. November die erste Ansprache hielt. Der Leipziger Ausschuß schloß sich dem in Berlin bereits ins Leben getretenen Ausschuß an, der als Zentralausschuß galt, blieb aber die Seele des Unternehmens und entfaltete auch an den anderen Universitäten eine rege Werbung.

Bereits in der ersten Versammlung in Trietschlers Saal hatten die Redner vor Störungen des akademischen Friedens durch Kundgebungen gegen jüdische Studierende gewarnt, den Wahlspruch „Fortiter in re, suaviter in modo!“ voran gestellt und betont, daß sie als Studenten die Pflicht hätten, sich „eine gründliche Kenntnis und die Fähigkeit der wissenschaftlichen Beurteilung derjenigen sozialen Fragen zu erwerben, die unser Vaterland bewegen, und an deren Lösung wir dereinst nach Kräften mitzuwirken berufen sind.“ Auf Vorschlag des Schleswigers Peter Jensen sang die Versammlung das Lied „Deutschland, Deutschland über alles“, welches bis dahin in Deutschland wenig gesungen wurde und seitdem das Bannerlied nicht nur des Kyffhäuserverbandes, sondern ganz Deutschlands geworden ist. Am 18. Januar 1881 veranstaltete der Ausschuß in der Zentralhalle den berühmten Kommers zur Feier des 10jährigen Gedenktages der Errichtung des Deutschen Reiches, auf dem der Prinz Ernst von Meiningen den Ehrenvorsitz führte und Prof. Luthardt die Festrede hielt. Auch hier erklang das Deutschlandlied wieder. Dieser von 2000 Teilnehmern besuchte Kommers ist der Geburtstag des V. D. St. zu Leipzig gewesen. Die formelle Gründung erfolgte dann am 10. Februar in einer Versammlung in „Stadt London“, und die Genehmigung seitens der Akademischen Behörde lief binnen 24 Stunden ein. Am 15. Februar fand die erste ordentliche Mitgliederversammlung statt, die in einem Telegramm an Bismarck mitteilte, daß der Wahlspruch des neuen Vereins laute: „Mit Gott für Kaiser und Reich“, worauf Bismarck antwortete: „Das Streben und den Wahlspruch des Vereins teilend, danke ich.“

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