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Friedrich List: Auszug aus Das Nationale System der politischen Oekonomie (1841)

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Offenbar ist diejenige Nation, welche auf einem ausgedehnten, mit mannigfaltigen natürlichen Hülfsquellen ausgestatteten Territorium und bei einer großen Bevölkerung Ackerbau, Manufakturen, Schifffahrt, innern und äußern Handel vereinigt, ungleich civilisirter, politisch gebildeter und mächtiger als die bloße Agrikulturnation. Die Manufakturen aber sind die Basis des innern und äußern Handels, der Schifffahrt und des verbesserten Ackerbaues, folglich der Civilisation und der politischen Macht; und eine Nation, welcher es gelänge, die ganze Manufakturkraft des Erdballs zu monopolisiren und die übrigen Nationen der Art in ihrer ökonomischen Entwickelung niederzuhalten, daß bei ihnen nur Agrikulturprodukte und Rohstoffe erzeugt und die nöthigsten Lokalgewerbe betrieben würden, müßte nothwendig zur Universalherrschaft gelangen.

Jede Nation, für welche Selbständigkeit und Fortdauer einigen Werth haben, muß daher trachten, so bald als möglich von einem niedrigen Kulturstand in einen höheren überzugehen, so bald als möglich Agrikultur, Manufakturen, Schifffahrt und Handel auf ihrem eigenen Territorium zu vereinigen.

Die Uebergänge der Nation vom wilden Zustand in den Hirtenstand und vom Hirtenstand in den Agrikulturstand und die ersten Fortschritte in der Agrikultur werden am besten durch freien Handel mit civilisirteren, d. h. mit Manufaktur- und Handelsnationen bewirkt.

Der Uebergang der Agrikulturvölker in die Klasse der Agrikulturmanufaktur- und Handelsnationen würde bei freiem Verkehr nur in dem Fall von selbst stattfinden können, wenn bei allen zu Emporbringung einer Manufakturkraft berufenen Nationen zu gleicher Zeit der gleiche Bildungsproceß stattgefunden hätte, wenn die Nationen einander in ihrer ökonomischen Ausbildung keinerlei Hindernisse in den Weg legten, wenn sie nicht durch Krieg und Douanensysteme einander in ihren Fortschritten störten.

Da aber einzelne Nationen, durch besondere Verhältnisse begünstigt, vor andern einen Vorsprung in Manufakturen, in Handel und Schifffahrt gewonnen, da dieselben frühzeitig in diesen Vervollkommnungen das wirksamste Mittel erkannt haben, politisches Uebergewicht über andere Nationen zu erlangen und zu behaupten, so haben sie Einrichtungen getroffen, die darauf berechnet waren und es noch sind, ein Monopol der Manufakturen und des Handels zu erlangen und minder vorgerückte Nationen in ihren Fortschritten aufzuhalten. Den Complex dieser Einrichtungen (Einfuhrverbote, Einfuhrzölle, Schifffahrtsbeschränkungen, Ausfuhrprämien u. s. w.) nennt man das Douanensystem.

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