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Heimlich aufgezeichnete Unterhaltungen deutscher Kernphysiker auf Farm Hall (6./7. August 1945)

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WIRTZ: Die Folge wäre gewesen, daß wir London ausgelöscht, aber noch immer nicht die Welt erobert hätten, und dann hätten sie die Dinger auf uns abgeworfen.

WEIZSÄCKER: Ich meine, wir sollten uns jetzt nicht in Rechtfertigungen ergehen, weil es uns nicht gelungen ist, vielmehr müssen wir zugeben, daß wir gar nicht wollten, daß die Sache gelingt. Auch wenn wir die gleiche Energie hineingesteckt hätten wie die Amerikaner und es wirklich gewollt hätten wie sie, wäre es uns mit Sicherheit nicht gelungen, weil sie unsere Fabriken in Trümmer gelegt hätten.

DIEBNER: Natürlich haben sie uns die ganze Zeit über beobachtet.

WEIZSÄCKER: Man kann sagen, es wäre für die Welt ein viel größeres Unglück gewesen, wenn Deutschland die Uranbombe gehabt hätte. Stellen Sie sich mal vor, wenn wir London mit Uranbomben zerstört hätten, würde das den Krieg noch nicht beendet haben, und wenn der Krieg dann wirklich zu Ende gewesen wäre, ist es immer noch zweifelhaft, ob das eine gute Sache gewesen wäre.

[ . . . ]

HEISENBERG: Ja. (Pause) Vor etwa einem Jahr hörte ich von Segner (?) vom Auswärtigen Amt, daß die Amerikaner mit dem Abwurf einer Uranbombe auf Dresden gedroht hätten, wenn wir nicht bald kapitulierten. Damals wurde ich gefragt, ob ich dies für möglich hielte, und ich antwortete in voller Überzeugung: nein.

WIRTZ: Ich halte es für typisch, daß die Deutschen die Entdeckung gemacht und sie nicht eingesetzt haben, während die Amerikaner sie zum Einsatz brachten. Ich muß sagen, ich dachte nicht, daß die Amerikaner es wagen würden, sie einzusetzen.

4. Hahn und Laue erörterten gemeinsam die Lage. Hahn bezeichnete die Nachricht als eine gewaltige Leistung, die in der Geschichte ohnegleichen sei, und Laue brachte angesichts dieser neuen Ereignisse die Hoffnung auf eine rasche Haftentlassung zum Ausdruck.

5. Nachdem Gerlach den Raum verlassen hatte, ging er sofort in sein Schlafzimmer, wo man ihn schluchzen hörte. Von Laue und Harteck gingen nach oben, um nach ihm zu sehen, und versuchten ihn zu trösten. Er schien sich in der Lage eines besiegten Generals zu sehen, dem nur noch die Wahl blieb, sich zu erschießen. Zum Glück hatte er keine Waffe, und schließlich gelang es seinen Kollegen, ihn einigermaßen zu beruhigen. Im Laufe des Gesprächs mit von Laue und Harteck äußerte er sich wie folgt:

GERLACH: Als ich diese Sache übernahm, sprach ich darüber mit Heisenberg und Hahn, und ich sagte zu meiner Frau: «Der Krieg ist verloren, und die Folge wird sein, daß, sobald der Feind in das Land vordringt, ich verhaftet und weggebracht werde.» Ich habe das nur getan, weil ich mir sagte, das ist eine deutsche Angelegenheit, und wir müssen zusehen, daß die deutsche Physik erhalten bleibt. Keinen Augenblick dachte ich an eine Bombe, aber ich habe mir gesagt: «Wenn Hahn diese Entdeckung gemacht hat, dann wollen wir wenigstens die ersten sein, die von ihr Gebrauch machen.» Wenn wir nach Deutschland zurückkommen, wird es uns schlimm ergehen. Man wird uns als diejenigen ansehen, die alles sabotiert haben. Wir werden dort nicht lange am Leben bleiben. Sie können sicher sein, daß es viele Leute in Deutschland gibt, die sagen, daß es unsere Schuld ist. Lassen Sie mich bitte allein.

6. Etwas später ging Hahn nach oben, um Gerlach zu beruhigen; dabei entwickelte sich das folgende Gespräch:

HAHN: Sind Sie außer sich, weil wir die Uranbombe nicht gebaut haben? Ich danke Gott auf den Knien, daß wir keine Uranbombe gebaut haben. Oder sind Sie deprimiert, weil die Amerikaner besser waren?

GERLACH: Ja.

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