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Heimlich aufgezeichnete Unterhaltungen deutscher Kernphysiker auf Farm Hall (6./7. August 1945)

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HAHN: Sie sind doch mit Sicherheit nicht für eine so unmenschliche Waffe wie die Uranbombe?

GERLACH: Nein. Wir haben nie an der Bombe gearbeitet. Ich habe nicht geglaubt, daß es so schnell gehen würde. Aber ich war allerdings der Meinung, daß wir alles unternehmen sollten, um die Energiequellen verfügbar zu machen und deren Möglichkeiten für die Zukunft zu nutzen. Als das erste Ergebnis vorlag und sich herausstellte, daß die Konzentration durch die Würfelmethode stark anstieg, sprach ich zuerst mit Speers rechter Hand, da Speer damals nicht zu erreichen war, einem Oberst Geist, und später fragte mich Sauckel in Weimar: «Was wollen Sie mit diesen Dingern anfangen?» Ich antwortete: «Meiner Meinung nach kann ein Politiker, der im Besitz einer solchen Maschine ist, alles erreichen, was er will.» Etwa zehn oder vierzehn Tage vor der Kapitulation erwiderte Geist: «Leider haben wir keinen solchen Politiker.»

HAHN: Ich bin dankbar, daß wir nicht die ersten waren, die die Uranbombe abwarfen.

GERLACH: Sie können ihre Entwicklung nicht verhindern. Ich hatte Angst, an die Bombe zu denken, aber ich habe sie mir als eine Sache der Zukunft vorgestellt; derjenige, der mit dem Einsatz der Bombe drohen konnte, würde alles erreichen können. Genau das habe ich Geist, Sauckel und Murr mitgeteilt. Heisenberg war damals in Stuttgart.

(Harteck kommt herein)

Sagen Sie, Harteck, ist es nicht schade, daß es die anderen geschafft haben?

HAHN: Darüber bin ich froh.

GERLACH: Ja, aber wofür haben wir dann gearbeitet?

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GERLACH: Wir dürfen vor diesen zwei Engländern nicht sagen, daß wir in dieser Sache mehr hätten tun sollen. Wirtz sagte, daß wir mehr an der Isotopentrennung hätten arbeiten sollen. Es ist etwas anderes, wenn man sagt, daß wir nicht genügend Mittel hatten, aber man kann vor einem Engländer nicht sagen, daß wir uns nicht genügend Mühe gegeben hätten. Sie waren unsere Feinde, obwohl wir den Krieg sabotierten. Es gibt einige Dinge, die man weiß und über die man gemeinsam diskutieren kann, aber die man nicht in Gegenwart von Engländern erörtern kann.

HAHN: Ich muß ehrlich sagen, daß ich den Krieg sabotiert hätte, wenn ich dazu in der Lage gewesen wäre.

7. Hahn und Heisenberg setzten die Diskussion allein fort. Hahn erklärte Heisenberg, daß die ganze Sache ihn sehr mitgenommen habe. Er sagte, er könne wirklich nicht verstehen, warum Gerlach sich so aufgeregt habe. Heisenberg erwiderte, er könne das schon verstehen, denn Gerlach sei der einzige unter ihnen, der einen deutschen Sieg wirklich gewollt habe. Obwohl er die Verbrechen der Nazis einsehe und sie mißbillige, habe er sich nicht der Tatsache verschließen können, daß er für Deutschland arbeite.

Hahn erwiderte, daß auch er sein Land liebe und daß er, so seltsam es erscheinen mag, gerade aus diesem Grunde dessen Niederlage erhofft habe. Heisenberg fuhr fort und meinte, er glaube, der Besitz der Uranbombe werde die Position der Amerikaner gegenüber den Russen stärken. Sie setzten ihre Diskussion über dasselbe Thema wie zuvor fort, daß sie nie an einer Bombe hätten arbeiten wollen und daß sie froh gewesen seien, als die Entscheidung fiel, alle Anstrengungen auf den Bau der Maschine zu richten. Die Menschen in Deutschland, so Heisenberg, könnten jedoch sagen, die Physiker hätten die Behörden zwingen sollen, ihnen die nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen und 100 000 Mann freizusetzen, um die Bombe herzustellen; er selber sei der Meinung, daß sie moralisch in der gleichen Lage gewesen seien wie die Amerikaner, und wenn sie sich gesagt hätten, daß es nur darauf ankomme, daß Hitler den Krieg gewinnt, dann hätte es gelingen können, während sie in Wirklichkeit gar nicht gewollt hätten, daß er gewinnt. Hahn räumte allerdings ein, er habe nie geglaubt, daß eine deutsche Niederlage eine so schreckliche Tragödie für sein Land bedeuten würde. Sie sprachen dann über die Gefühle und Ansichten der britischen und amerikanischen Wissenschaftler, die die Bombe hergestellt hatten, und Heisenberg sagte, er glaube, in ihrem Fall liege die Sache anders, da sie Hitler als Verbrecher betrachteten. Sie beide hofften, daß die neue Entdeckung der Menschheit letztlich zum Nutzen gereichen werde. Heisenberg stellte weiterhin Vermutungen darüber an, auf welche Weise Amerika die neue Entdeckung wohl anwenden werde, und fragte sich, ob die Amerikaner sie benutzen würden, um Kontrolle über Rußland zu erlangen, oder eher warten wollten, bis Stalin sie nachgebaut habe. Dann stellten sie Überlegungen an, wie viele Bomben wohl existierten.

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