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Bismarcks Rede im Norddeutschen Reichstag zur Verteidigung seines Verfassungsentwurfs (11. März 1867)

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Sie müssen doch die Regierung nicht in Verdacht haben, und keine der zweiundzwanzig Bundes-Regierungen, daß sie sich von der historischen constitutionellen Entwicklung Deutschlands lossagen wolle, daß sie nun dieses Parlament etwa benutzen wolle, um den Parlamentarismus im Kampf der Parlamente gegen einander aufzureiben. Was hätten wir denn davon? Ist denn eine Regierung auf die Dauer denkbar, namentlich eine solche die sich zur Aufgabe gestellt hat, eine Einheit in Feuer, oder gar in kaltem Metall, wenn das Feuer erkaltet sein wird, zu schmieden, eine Einigung, die nicht überall in Europa mit Wohlwollen gesehen wird, daß diese Regierung es sich gewissermaßen zur systematischen Aufgabe stellt, die Rechte der Bevölkerung auf die Theilnahme an ihren eigenen Geschäften zu unterdrücken, abzuschaffen; auf ein wildes Reactionswesen sich einzulassen, sich in Kämpfen mit der eigenen Bevölkerung aufzuhalten, meine Herren, das können Sie von einer Dynastie, wie sie über Preußen regiert, das können Sie von keiner der Dynastien, die augenblicklich in Deutschland regieren, erwarten, daß sie an ein nationales Werk mit dieser Heuchelei — ich kann es nicht anders nennen — herangeht.

(Lebhaftes Bravo!)

Wir wollen den Grad von Freiheits-Entwicklung, der mit der Sicherheit des Ganzen nur irgend verträglich ist. Es kann sich nur handeln um die Grenze: wie viel, was ist mit dieser Sicherheit auf die Dauer verträglich? was ist jetzt mit ihr verträglich? ist ein Uebergangsstadium nöthig? wie lange muß dies dauern?

(Sehr gut! Bravo!)

Es kann nicht in unserer Absicht liegen, das Militair-Budget auch für den Zeitraum, wo es von Ihnen selbst als eisern behandelt werden sollte, und ein solcher Zeitraum ist meines Erachtens unentbehrlich, Ihrer Kenntniß zu entziehen. Es ist hier gesagt worden, als wenn das Militair-Budget mit einer gewissen Heimlichkeit nachher behandelt werden sollte. Soweit ich mir überhaupt diesen Gedanken schon klar gedacht habe, so schwebt er mir in der Art vor, daß wir jedenfalls ein Budget vorlegen würden, welches die Gesammtausgaben des Bundes umfaßt, die militairische nicht ausgeschlossen; nur würden wir das auf der Basis des mit der Vertretung für eine gewisse Dauer von Jahren abzuschließenden Vertrages thun, so daß man uns an dem Militair-Budget für diese Zeit keine Streichung machen kann, wenigstens keine solche, die nicht mit dem Bundesfeldherrn vereinbart wäre. Es ist ja möglich, daß der Bundesfeldherr sich überzeugt, dies oder jenes kann ich entbehren, daß er selbst sagt, das will ich. Aber es muß einen Zeitraum geben, in welchem die Existenz des Bundesheeres nicht von zufälligen Schwankungen der Majorität abhängt. Ich will gern zugeben, daß es sehr unwahrscheinlich ist, daß sich in diesem Reichstage eine Majorität finden würde, die nicht dasjenige bewilligen würde, was Ihrer Meinung nach zur Vertheidung des Landes hinreichend ist. Ich fürchte in dieser Beziehung nicht gerade von Partikularisten auf die Weise, auf die hier hingewiesen wurde, ich fürchte viel mehr von der Vermischung der Frage über die Grenze zwischen parlamentarischer und fürstlicher Gewalt mit der Frage von der Vertheidigungsfähigkeit Deutschlands dem Auslande gegenüber; ich halte es nicht für gut, daß man das Bedürfniß hat, den parlamentarischen Einfluß, den man erstrebt und den wir ja gerne den Parlamenten gönnen, vorzugsweise an der Armee zu üben, während mannigfache andere Felder immer überbleiben, um ihn zu üben: Ich glaube, meine Herren, es ist ein fast wirksameres Mittel, sich den Einfluß auf die Regierungen zu sichern, den mehrere vorgestrige Redner vermißten, wenn Sie beispielsweise die Zollverträge in der Richtung Ihrer Gesetzgebung unterzögen, die dem Reiche Hülfsquellen abschnitten, wenn Sie beispielsweise diejenigen Beamten abstrichen, die auf dem Reichs-Budget für Zoll-Erhebung stehen; wenn Sie Ihre Thätigkeit dahin richten wollten, ein Ihnen unannehmbares System der Regierung zu beseitigen, das Eisenbahn- und Telegraphen-Wesen lahm zu legen. Ich glaube, meine Herren, das wäre vielleicht wirksamer, als wenn Sie sich die Beschließung über die Zusammensetzung und Ausdehnung der Armee vorbehalten, denn dann richtet sich der Beschluß auf die Fundamente der Sicherheit und der staatlichen Existenz, namentlich in einem Bundesstaate, da ist die Regierung in derselben Unmöglichkeit nachzugeben, in der die preußische Regierung sich seit mehreren Jahren zu befinden glaubte. Wenn diese Einrichtung, die Bundes-Armee, vorläufig diejenige Basis, die am vollständigsten ausgebildet ist, diejenige Basis, die wir am unentbehrlichsten brauchen, durch ein jährliches Votum in Frage gestellt werden sollte, meine Herren, es würde mir das — verzeihen Sie mir, wenn ich ein Gleichniß brauche aus einem Berufe, in dem ich mich früher befand, den Eindruck eines Deichverbandes machen, in dem jedes Jahr nach Kopfzahl auch der Besitzlosen darüber abgestimmt wird, ob die Deiche bei Hochwasser durchstochen werden sollen oder nicht; aus solchem Deichverbande würde ich einfach ausscheiden, da wäre mir das Wohnen zu unsicher, und ich würde mich der Gefahr nicht hingeben, daß einmal Diejenigen, die die Wirthschaft mit freier Weide wünschen, über Diejenigen, die mit bestellten und wasserfreien Aeckern die Oberhand gewännen und alle durch eine Wasserfluth zu Grunde gingen.

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