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August Bebel, „Die Frau und der Sozialismus” (1879)

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In der sozialistischen Gesellschaft gibt es aber nichts mehr zu vererben, es sei denn, man wolle das Hausgerät und das persönliche Inventar als Erbteil ansehen, demnach ist auch von diesem Gesichtspunkt aus die heutige Eheform hinfällig. Damit ist weiter die Frage nach dem Erbrecht erledigt, das der Sozialismus nicht nötig hat abzuschaffen. Besteht kein Privateigentum mehr, so kann auch kein Erbrecht bestehen. Die Frau ist also frei, und Kinder, die sie besitzt, verkürzen ihr diese Freiheit nicht, sie können ihr nur die Freude am Leben vermehren. Pflegerinnen, Erzieherinnen, befreundete Frauen, die heranwachsende weibliche Jugend stehen ihr in Fällen, in welchen sie Hilfe braucht, zur Seite.

Möglich, daß es in Zukunft Männer gibt, die gleich A. Humboldt sagen: »Ich bin nicht geschaffen, um Familienvater zu sein. Außerdem halte ich das Heiraten für eine Sünde, das Kindererzeugen für ein Verbrechen.« Was liegt daran? Die Macht der Naturtriebe wird bei anderen für das Gegengewicht sorgen. Uns beunruhigt weder die Ehefeindlichkeit eines Humboldt noch der philosophische Pessimismus eines Schopenhauer, Mainländer oder v. Hartmann, welche der Menschheit die Selbstvernichtung im »Idealstaat« in Aussicht stellen. Wir halten es hier mit Fr. Ratzel, der mit vollem Recht schreibt:

»Der Mensch darf sich nicht länger als eine Ausnahme von den Naturgesetzen betrachten, sondern fange endlich an, das Gesetzmäßige in seinen eigenen Handlungen und Gedanken aufzusuchen und strebe, sein Leben den Naturgesetzen gemäß zu führen. Er wird dahin kommen, das Zusammenleben mit Seinesgleichen, das heißt die Familie und den Staat, nicht nach den Satzungen ferner Jahrhunderte, sondern nach den vernünftigen Prinzipien einer naturgemäßen Erkenntnis einzurichten. Politik, Moral, Rechtsgrundsätze, welche jetzt noch aus allen möglichen Quellen gespeist werden, werden nur den Naturgesetzen entsprechend zu gestalten sein. Das menschenwürdige Dasein, von welchem seit Jahrtausenden gefabelt wird, wird endlich zur Wahrheit werden.«

Diese Zeit kommt mit Riesenschritten heran. Die menschliche Gesellschaft hat in Jahrtausenden alle Entwicklungsphasen durchlaufen, um schließlich dahin zu gelangen, von wo sie ausgegangen ist, zum kommunistischen Eigentum und zur vollen Gleichheit und Brüderlichkeit, aber nicht mehr bloß der Gentilgenossen, sondern aller Menschen. Das ist der große Fortschritt, den sie macht. Was die bürgerliche Gesellschaft vergeblich erstrebte und woran sie scheitert und scheitern muß, die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit aller Menschen herzustellen, wird der Sozialismus verwirklichen. Die bürgerliche Gesellschaft konnte nur die Theorie aufstellen, die Praxis widersprach, wie in so vielen anderen Dingen, auch hier ihren Theorien. Der Sozialismus wird Theorie und Praxis vereinigen.

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