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Franz Rehbein, Landarbeiter (um 1890)

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Viele Tagelöhner begannen sich schon in Schulden zu zehren; sie holten bei den Dorfhökern zu Borg, oder ließen sich von bekannten Bauern einen kleinen Barvorschuß geben, den sie im Sommer wieder abarbeiten wollten. Dies geht bei den meisten übrigens jeden Winter so, und nicht wenige – besonders die mit starker Familie – mußten womöglich gar den ganzen Sommer über krebsen, damit sie nur die Schulden vom vorigen Winter los wurden; kam dann der neue Winter, so waren sie bald wieder blank, und die Borgwirtschaft ging von vorn los. Wer aber gar nichts mehr geborgt bekam, dem blieb nichts weiter übrig, als sich an die Armenkasse des Kirchspiels zu wenden; ja es war sogar durchaus nichts Seltenes, daß die Tagelöhnerkinder mit dem Bettelkorb von Hof zu Hof geschickt wurden.

Nachgerade wurde mir der durch die Arbeitslosigkeit geschaffene Zustand unerträglich. Sollte ich etwa auch schon anfangen, mich in Schulden zu setzen? Lieber wollte ich mich eine Zeitlang von Weib und Kind trennen und zusehen, ob ich vielleicht auswärts Arbeit bekäme. Mit noch einigen anderen Tagelöhnern wanderte ich deshalb die acht Stunden Wegs nach dem damals im Bau befindlichen Nord-Ostseekanal und wurde dort auch als Erdarbeiter eingestellt. Hier blieb ich bis zum Frühjahr, von wo ab es dann wieder bei den Landwirten der Marsch etwas zu tun gab. Doch schon im Vorsommer setzte abermals eine Periode der Arbeitslosigkeit ein, so daß ich es vorzog, bis zur Ernte auf einer Ziegelei Arbeit zu nehmen. Dort war ich beim »Ausrüsten« beschäftigt, zu einem Wochenlohn von 20 Mark. Die Arbeitszeit währte dafür aber auch von morgens 4 bis abends 8 Uhr mit einer Gesamtpause von 2 Stunden, also 14 Stunden täglich. Von hier ging ich nur über Sonntag nach Hause. Die Woche über aß ich mit den im Betriebe tätigen Lippeschen Zieglern zusammen in der »Kommunje«, d. h. jeden Tag, den Gott werden ließ: Erbsen, und immer wieder Erbsen! Noch heute wird mir’s ganz erbsig im Magen, wenn ich nur daran zurückdenke.

Für die Zeit der Ernte hatte mich mein früherer Bauer »Peiter Pink« schon einige Wochen vorher angenommen. Meine Frau half mir dort treulich mit. Bis dahin wollte ich immer nicht, daß sie mitarbeiten sollte, denn es widerstrebte mir, sie ebenfalls mit ins Joch zu spannen; meiner Ansicht nach mußte der Mann allein so viel verdienen können, wie zum Lebensunterhalt der Familie notwendig war, besonders wo es sich bei uns erst um eine kleine Familie handelte. Doch mein Weibchen meinte, man könne nicht wissen, wie es wieder zum Winter werde; sie ließ es sich nicht nehmen, während der Ernte mitzuschaffen. Unsern Jungen fuhren wir in einem für alt gekauften Kinderwagen mit aufs Feld, dort wurde er hinter den Hocken gepackt, und dann konnte er schlafen, spielen oder schreien, solange er Lust hatte; er mußte es beizeiten anwerden, daß er nur ein Tagelöhnerkind war.

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