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Richard Wagner, Was ist Deutsch? (1865/1878)

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Waren bisher die deutschen Fürsten meistens mit dem deutschen Geiste gemeinsam gegangen, so habe ich schon bezeichnet, wie seitdem, leider auch noch die Fürsten fast gänzlich diesen Geist zu verstehen verlernten. Den Erfolg davon ersehen wir an unsrem heutigen öffentlichen Staatsleben: das eigentlich deutsche Wesen zieht sich immer mehr von diesem zurück; teils wendet es sich seiner Neigung zum Phlegma, teils der zur Phantasterei zu; und die fürstlichen Rechte Preußens und Österreichs haben sich allmählich daran zu gewöhnen, ihren Völkern gegenüber, da der Junker und selbst der Jurist nicht mehr recht weiterkommt, sich durch – Juden vertreten zu sehen.

In dieser sonderbaren Erscheinung des Eindringens eines allerfremdartigsten Elementes in das deutsche Wesen liegt mehr, als es beim ersten Anblick dünken mag. Nur insoweit wollen wir hier jenes andere Wesen aber in Betrachtung ziehen, als wir in der Zusammenstellung mit ihm uns klar darüber werden dürfen, was wir unter dem von ihm ausgebeuteten »deutschen« Wesen zu verstehen haben. – Der Jude scheint den Völkern des neueren Europas überall zeigen zu sollen, wo es einen Vorteil gab, welchen jene unerkannt und unausgenutzt ließen. Der Pole und Ungar verstand nicht den Wert, welchen eine volkstümliche Entwicklung der Gewerbetätigkeit und des Handels für das eigene Volk haben würde: der Jude zeigte es, indem er sich den verkannten Vorteil aneignete. Sämtliche europäische Völker ließen die unermeßlichen Vorteile unerkannt, welche eine dem bürgerlichen Unternehmungsgeiste der neueren Zeit entsprechende Ordnung des Verhältnisses der Arbeit zum Kapital für die allgemeine Nationalökonomie haben mußte: die Juden bemächtigten sich dieser Vorteile, und am verhinderten und verkommenden Nationalwohlstande nährt der jüdische Bankier seinen enormen Vermögensstand. Liebenswürdig und schön ist der Fehler des Deutschen, welcher die Innigkeit und Reinheit seiner Anschauungen und Empfindungen zu keinem eigentlichen Vorteil, namentlich für sein öffentliches und Staatsleben auszubeuten wußte: daß auch hier ein Vorteil auszunutzen übrig blieb, konnte nur derjenigen Geistesrichtung erkenntlich sein, welche im tiefsten Grunde das deutsche Wesen mißverstand. Die deutschen Fürsten lieferten den Mißverstand, die Juden beuteten ihn aus. Seit der Neugeburt der deutschen Dichtkunst und Musik brauchte es nur, nach Friedrich d. Gr. und dessen Vorgange, zur Marotte des Fürsten zu werden, diese zu ignorieren oder, nach der französischen Schablone bemessen, unrichtig und ungerecht zu beurteilen und demgemäß dem durch sie offenbarten Geiste keinen Einfluß zu gewähren, um dafür dem Geiste der fremden Spekulation ein Feld zu eröffnen, auf welchem er Vorteil zu ziehen gewahrte. Es ist, als ob sich der Jude verwunderte, warum hier so viel Geist und Genie zu nichts anderem diente, als Erfolglosigkeit und Armut einzubringen. Er konnte es nicht begreifen, daß, wenn der Franzose für die Glorie, der Italiener für den Denaro arbeitete, der Deutsche dies »pour le roi de Prusse« tat. Der Jude korrigierte dieses Ungeschick der Deutschen, indem er die deutsche Geistesarbeit in seine Hand nahm; und so sehen wir heute ein widerwärtiges Zerrbild des deutschen Geistes dem deutschen Volke als sein vermeintliches Spiegelbild vorgehalten. Es ist zu fürchten, daß das Volk mit der Zeit sich wirklich selbst in diesem Spiegelbild zu ersehen glaubt: dann wäre eine der schönsten Anlagen des menschlichen Geschlechtes vielleicht für immer ertötet.

Wie es vor solchem schmachvollen Untergange zu bewahren sei, haben wir aufzusuchen, und wir wollen uns deshalb hier vor allem recht deutlich das Charakteristische des eigentlich »deutschen« Wesens klar machen. –

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