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Junge Christen schlagen einen „Sozialen Friedensdienst” als Alternative zum Militärdienst vor (7. Dezember 1982)

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In kurzer Zeit ging der Text aus Dresden überall in der DDR herum. Auf Veranstaltungen und Gemeindeabenden der Jungen Gemeinden und der Studentengemeinden wurde er verlesen, diskutiert und unterschrieben. Die meisten Exemplare des Aufrufes wurden mit Schreibmaschine vervielfältigt. Im Juni 1981 kursierte der Vorschlag auf den öffentlichen Kirchentagen in Görlitz, Stralsund und Dessau, bei einer „Fragestunde mit kirchlichen Persönlichkeiten“ forderten Jugendliche die Kirchenvertreter zur Stellungnahme auf. Obwohl sich in erster Linie jüngere Leute an der Initiative beteiligten, stieß der Vorschlag im Kirchenraum auf allgemeine Zustimmung. Das stark protestantisch, fast pietistisch gefärbte Grundverständnis des Aufrufes, das in dieser Form wohl nur im sächsischen Teil der DDR entstehen konnte, ließ kaum ein christlich vertretbares Argument zu, das Anliegen abzulehnen.

Kennzeichen für das Konzept ist, daß nicht der Gewissensschutz des einzelnen im Vordergrund steht, sondern die Erkenntnis einer gesellschaftlichen Aufgabe. Frieden soll nicht nur verlangt, sondern durch „zeichenhafte“ persönliche Opfer schon heute eingeübt und denen Hilfe gegeben werden, die sie im christlichen Verständnis am dringendsten brauchen. „Bei dem jetzigen Vorschlag“, schrieb die provinzsächsische Kirchenleitung im November 1981, „sind zwei Dinge als besonders wichtig hervorzuheben:

a) Der Zusammenhang von Friedenszeugnis und Friedensdienst
b) der Zusammenhang von Abrüstung und Verantwortung für die sozial Schwachen.“

Die Beschränkung auf machbar scheinende Vorschläge, die nicht von vornherein als aussichtslos gelten, haben bewirkt, daß das Papier in der kirchlichen Öffentlichkeit eine breite Resonanz fand und von der Kirchenleitung sogar zum Verhandlungsgegenstand zwischen Staat und Kirche gemacht wurde. Dieser „Realismus“ hat den Autoren allerdings auch Kritik von Mitstreitern eingebracht.

Ein Mitarbeiter eines Ostberliner Friedenskreises meinte: „Ich hab da nicht unterschrieben, weil ich manches einfach anders sehe. Zum Beispiel die Kasernierung – ich habe selber eineinhalb Jahre meines Lebens in so einem Bau zugebracht und weiß, was das bedeutet. Gerade damit will man die Leute kleinkriegen, daß man sie aus ihren sozialen Bindungen herausreißt und ihnen jeden Kontakt zur Außenwelt verbietet. Das macht einen fertig, das ist ein wesentlicher Teil der eigentlichen Gewaltstruktur. Ob ich da nun die Kaserne heize oder Kranke pflege, ist für mich nicht so wesentlich“. Und ein Totalverweigerer erklärte: „Ich lehne diese Fremdbestimmung ab. Soziales Handeln läßt sich nicht verordnen. Ich muß es jederzeit praktizieren.“

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