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Koalition der Mitte (13. Oktober 1982)

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Es ist jetzt auch ein Gebot des sozialen Friedens und der sozialen Gerechtigkeit, daß wir der Ehrlichkeit, der Leistung und der Selbstverantwortung eine neue Chance geben. Meine Damen und Herren, erneut bilden CDU/CSU und FDP eine Koalition der Mitte, um einen historischen Neuanfang zu setzen.

Was 1949 gelang, unter schweren seelischen Wunden und materiellen Lasten, das ist auch heute möglich und notwendig. Die Verbindung des sozialen, des christlichen und des liberalen Gedankens war das prägende Merkmal einer Epoche, die zu Recht als die erfolgreichste Ära der deutschen Nachkriegspolitik gilt. Ich zitiere einen liberalen Mitstreiter jener Zeit, Thomas Dehler, der sagte: „Die liberale Idee vom Menschen ist tief verbunden mit der christlichen Wahrheit. Der Mensch hat seine Würde als Ebenbild Gottes, als Träger einer unsterblichen Seele, als einmalige unverwechselbare Persönlichkeit. Diese Würde im irdischen Leben zu wahren, ist liberale Verpflichtung."

Auf die freie Zustimmung seiner Bürger wurde unser Staat, die Bundesrepublik Deutschland, gegründet. Konrad Adenauer führte vor über 30 Jahren die Deutschen in die Gemeinschaft der freien Völker des Westens und baute darauf die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Es gelang die Aussöhnung mit Frankreich und mit dem Volk und dem Staat Israel. Wir wurden ein geachteter Partner im Bündnis des Westens.

Die Soziale Marktwirtschaft war ein schöpferisches Werk. Sie bedeutet nicht allein Wohlstand. Sie begründet eine soziale Friedensordnung, die auch heute noch in vielen Ländern der Welt als vorbildlich gilt. Wir haben in diesen Jahren das Prinzip der Solidarität verwirklicht: durch dynamische Rente und Mitbestimmung, durch Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, durch das Betriebsverfassungsgesetz und durch Vermögensbildung.

Zwölf Millionen Heimatvertriebene und Flüchtlinge haben in jenen Jahren die Bundesrepublik Deutschland mit aufgebaut. Es wuchsen Vertrauen in den Rechtsstaat, demokratisches Selbstbewußtsein, eine neue politische Kultur. In einer spannungsreichen Epoche gewann die Bundesrepublik innere Stabilität und das Vertrauen ihrer Nachbarn. Die Deutschen lernten wieder – um mit Ernst Bloch zu sprechen – die Würde des aufrechten Gangs. Meine Damen und Herren, auf diesem Erbe dürfen wir aufbauen und aus diesem Erbe ziehen wir auch die Kraft, das für heute Notwendige zu tun. Was wollen wir heute? Was muß jetzt und heute getan werden?

Unser Dringlichkeitsprogramm konzentriert sich auf vier Schwerpunkte: Erstens. Wir wollen neue Arbeitsplätze schaffen. Zweitens. Wir wollen das soziale Netz sichern. Drittens. Wir wollen eine menschliche Ausländerpolitik verwirklichen. Viertens. Wir wollen die Grundlagen der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik erneuern. Wir wollen vor allem Arbeitsplätze schaffen und erhalten, indem wir zuerst die privaten und die öffentlichen Investitionen anregen. Dazu braucht die Wirtschaft eine Zukunftsperspektive, die frei ist von unnötigen Belastungen, Verunsicherungen und bürokratischen Auflagen durch den Staat. In den öffentlichen Haushalten müssen die Gewichte stärker von der konsumtiven zu mehr zukunftsorientierter Verwendung verlagert werden. Dies gilt sowohl für die Ausgaben- wie für die Einnahmenseite.

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Quelle: „Koalition der Mitte: Für eine Politik der Erneuerung“, Regierungserklärung des Bundeskanzlers am 13. Oktober 1982 vor dem Deutschen Bundestag in Bonn, in Bulletin (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung), Nr. 93, 14. Oktober 1983, S. 853 ff.

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